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Gespannte Lage

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Von: Andreas Wittkowsky

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Ein Kind hält die Flagge Kosovos.
Ein Kind hält die Flagge Kosovos. © afp

Vor 15 Jahren erklärte sich die Republik Kosovo für unabhängig, doch Serbien versucht noch immer, ihre Anerkennung zu hintertreiben. Zuletzt wurde der Ton wieder rauer. Der Gastbeitrag.

Am 17. Februar 2008 erklärte die Republik Kosovo ihre Unabhängigkeit. Zuvor war der Plan des UN-Sondergesandten Martti Ahtisaari im UN-Sicherheitsrat gescheitert, Kosovo eine „bedingte“ Unabhängigkeit zu gewähren. Der Ahtisaari-Plan sah weitreichende Minderheitenrechte in Kosovo vor, abgesichert durch eine internationale Aufsichtsbehörde. Serbien lehnte den Plan ab, die Vetomacht Russland bestand auf Serbiens Zustimmung.

Nachdem sich Kosovo verpflichtete, den Ahtisaari-Plan in seine Verfassung aufzunehmen, fand die nun „einseitig“ ausgerufene Unabhängigkeit viele internationale Unterstützer. Aber selbst fünf Mitglieder der EU erkannten die Unabhängigkeit nicht an. Dies verpasste dem Anspruch der EU einen empfindlichen Dämpfer, eine führende Rolle in der Befriedung der Region einzunehmen, und beeinträchtigt Kosovos Chancen, der EU und anderen internationalen Organisationen beizutreten.

Gleichzeitig hintertrieb Serbien die weitere Anerkennung Kosovos und setzt seine Politik fort, in mehrheitlich serbisch bewohnten Gebieten Kosovos staatliche Parallelstrukturen aufzubauen. Ein von Serbien initiiertes Gutachten des Internationalen Gerichtshofs kam allerdings zum Schluss, die Unabhängigkeitserklärung widerspräche nicht dem Völkerrecht. Seit dem Jahr 2011 vermittelt die EU einen Dialog zwischen Belgrad und Prishtina. Ziel ist ein Grundsatzabkommen, das die Beziehungen zwischen Kosovo und Serbien normalisiert und beiden die europäische Integration ermöglicht. Ein Meilenstein des Dialogs war das Brüsseler Abkommen im April 2013. Serbien verpflichtete sich, die Parallelstrukturen aufzugeben und – wo möglich – in kosovarische Institutionen zu integrieren.

Andreas Wittkowsky
Andreas Wittkowsky. © ©2010 hedrich.mattescheck GBR - alle Rechte vorbehalten.

Im Gegenzug war Kosovo bereit, einen Verband der Gemeinden mit einer serbischen Mehrheit zu etablieren. Diese kollektive ethnische Vertretung ging deutlich über die individuellen Minderheitenrechte des Ahtisaari-Plans hinaus und war im Kosovo entsprechend umstritten. Das kosovarische Verfassungsgericht befand in einem Grundsatzurteil, dass einige Aspekte des geplanten Verbands der Verfassung widersprächen. Seitdem lag seine Umsetzung auf Eis. Kosovos aktueller Ministerpräsidenten Albin Kurti beharrt auf einem Ansatz der „Reziprozität“. Alle Regelungen, die Kosovo und Serbien betreffen, sollen für beide Seiten gleichermaßen gelten. Die bisher von der EU verfolgte Politik der kleinen Schritte lehnt er ab. Stattdessen setzt er auf eine Paketlösung, die alle strittigen Punkte klärt, einschließlich der völkerrechtlichen Anerkennung Kosovos.

Zur Person

Andreas Wittkowsky ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für internationale Friedenseinsätze (ZIF)

Seitdem ist das politische Klima deutlich rauer geworden. Wiederholt führte die – grundsätzlich legitime – Politik der Reziprozität zu Eskalationen. Als Kosovos Polizei im November 2022 die offiziellen Kfz-Schilder auch in den serbisch besiedelten Gebieten durchsetzen wollte, verließen die Kosovo-Serben die kosovarischen Institutionen im Protest. Im Norden Kosovos wurden Straßensperren errichtet, an denen auch Angehörige radikaler Gruppen wie der russischen „Nachtwölfe“ teilnahmen. Belgrad mobilisierte seine Truppen und führte militärische Vorbeiflüge an Kosovos Grenzen durch.

Demonstrativ besuchte Serbiens Verteidigungsminister die Truppen mit dem russischen Botschafter. Dies zeigt auch, wie weit Serbien sich von einem glaubwürdigen EU-Kurs entfernt hat. Die Lage im Norden Kosovos ist weiter gespannt und wird zunehmend für geopolitisch motivierten Zündeleien missbraucht.

Mit einer konzertierten diplomatischen Initiative wollen die EU, die USA und Großbritannien nun das Grundsatzabkommen zwischen Kosovo und Serbien zum Abschluss bringen. Dazu liegt ein europäischer (alias deutsch-französischer) Vorschlag auf dem Tisch, der eine De-facto-Anerkennung vorsieht. Kosovo und Serbien würden sich die Unverletzlichkeit ihrer Grenzen, die territoriale Integrität und die internationale Alleinvertretung garantieren.

Eine Erfolgsbedingung ist die Bereitschaft Kosovos, den Verband der Gemeinden mit serbischer Mehrheit erneut auf die Agenda des Dialogs zu setzen. Bei allem Druck, den die internationale Gemeinschaft deshalb auf Prishtina ausübt, muss sie ausschließen, dass – ähnlich wie in Bosnien und Herzegowina – eine Republika Srpska 2.0 entsteht, die Kosovos Staatlichkeit untergräbt. Wichtig wäre auch eine Zusicherung der EU, dass das Grundsatzabkommen Kosovo den EU-Kandidatenstatus ermöglicht. Belgrad würde es mit Genugtuung sehen, wenn das Abkommen an Kosovo scheitert. Kurti hat die Chance, den Durchbruch zu erzielen – oder Kosovos weitere internationale Integration auf Jahre zu blockieren.

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