Wie viel Windräder braucht das Land?

Es sind weniger Windmühlen nötig, als viele befürchten. Denn die Anlagen werde immer effizienter. Der Gastbeitrag von Hans-Josef Fell Thure Traber.
Obwohl Gegnerinnen und Gegner der Erneuerbaren Energien in der Minderheit sind, dominieren ihre Argumente häufig die öffentliche Debatte. So befürworten 83 Prozent der Menschen hierzulande den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien. 51 Prozent der Befragten halten Windkraft in der Nachbarschaft sogar für „sehr gut“ oder „eher gut“. Die öffentliche Akzeptanz für Erneuerbare Energien ist somit größer, als der durch eine Minderheit von Opponenten geprägte Diskurs es vermuten ließe.
Eines der Hauptargumente der Gegnerinnen und Gegner der Windkraft ist meist die Angst vor einer „Verschandelung“ der Landschaft. Weit verbreitet ist der Glaube, eine Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien resultiere in einer erheblichen Zunahme der Anzahl von Windkraftanlagen.
Um diesen diffusen Ängsten zu begegnen, hat die Energy Watch Group (EWG) überschlägig berechnet, wie viele Windkraftanlagen an Land notwendig wären, um eine vollständige Energieversorgung des Landes in den Sektoren Strom, Wärme, Verkehr und Industrie zu jeder Jahresstunde nur aus Erneuerbaren bis 2030 sicherzustellen. Das Ergebnis: Die Annahme, dass 2030 in Deutschland mehr Windräder stehen als heute, ist nicht korrekt. Im Gegenteil: Die Anzahl der Windkraftanlagen könnte sogar von rund 30 000 auf 24 000 Anlagen sinken.
Aus dem Deutschland-Szenario der EWG ergibt sich eine zu installierende Windkraftleistung von etwa 110 Gigawatt (GW) bis 2030 zur Erzeugung von 300 Terrawattstunden (TWh) Strom. In der Studie nicht berücksichtigt wurde das Potenzial von Biokraftstoffen für den Verkehrssektor sowie von oberflächennaher Erdwärme. Diese Energiequellen könnten bis 2030 absehbar eine Einsparung von gut 100 TWh Strom aus Wind und Photovoltaik ermöglichen, sodass der Windstrombedarf im Jahr 2030 gegenüber dem Deutschland-Szenario auf etwa 250 TWh sinkt.
Erforderlich sind hierfür Anlagen mit einer Kapazität von rund 92 GW im Jahr 2030, bestehend aus 28 GW heute vorhandener Anlagen sowie 64 GW Neuanlagen, die einerseits auf bereits genutzten Windenergieflächen (28 GW) und andererseits auf neuen Windenergieflächen (36 GW) zu errichten sind.
Heute drehen sich in Deutschland etwa 30 000 Windkraftanlagen an Land. Die Offshore-Windkraftanlagen sind hier nicht eingerechnet. Viele der heutigen On-shore-Windkraftanlagen sind zu einer Zeit gebaut worden, in der es die hochleistungsfähigen Windkraftanlagen noch nicht gab. Viele der älteren Windmühlen leisten daher weniger als ein MW. Im Schnitt hat der in Deutschland im Jahre 2021 installierte Windpark eine mittlere Leistung von 1,8 MW pro Anlage.
Den günstigsten Strom produzieren heute jedoch Anlagen mit einer Leistung um fünf MW. Bis 2030 wird daher ein erheblicher Teil der heute existierenden Windräder „repowert“ werden. Indem alte Anlagen durch leistungsstärkere Nachfolgemodelle ersetzt werden, werden langfristig wesentlich weniger Windkraftanlagen benötigt, um die heutige Leistung zu erreichen. Wenn man davon ausgeht, dass bis 2030 nur besonders alte Anlagen ersetzt werden, werden anstelle der heute vorhandenen 30 000 Anlagen bereits 15 000 Anlagen die gleiche Leistung erbringen können.
Für den notwendigen Bedarf an neu gebauten und modernisierten Anlagen von 64 GW ergeben sich bei einer durchschnittlichen Leistung von fünf MW pro Anlage 11 140 neue und erneuerte Windkraftanlagen. In Summe müssten demnach bei einer vollen Versorgung von ganz Deutschland in allen Energiesektoren (Strom, Wärme, Verkehr, Industrie) mit 100 Prozent Erneuerbaren Energien bis 2030 etwa 24 000 Windkraftanlagen installiert sein – wesentlich weniger als die heute installierten 30 000 Anlagen.
Auch der hierfür benötigte Flächenbedarf bewegt sich in einem vertretbaren Rahmen. Damit sich die leistungsstarken Windkraftanlagen nicht gegenseitig zu viel Wind wegnehmen, braucht jedes Windrad der Fünf-MW-Klasse in einem Windpark deutlich mehr Raum als die kleineren, älteren Windkraftanlagen. Gleichzeitig ist auch der Ertrag dieser modernen Anlagen höher, sodass sich der durchschnittliche Flächenbedarf im Ergebnis kaum ändert.
Die von der Bundesregierung anvisierte Ausweisung von zwei Prozent der Landesfläche in Deutschland reicht für die beschriebenen 24 000 Windkraftanlagen aus und ermöglicht somit nicht nur das Regierungsziel von 80 Prozent Ökostrom bis 2030, sondern sogar eine 100-Prozent-Vollversorgung der gesamten Energieversorgung des Landes.
Hans-Josef Fell ist Präsident der Energy Watch Group (EWG).
Thure Traber ist Chefökonom der EWG.