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Weltweiter Austausch

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Um zum Beispiel diesen Kindern in Niger besser helfen zu können, sollten Institutionen der UN – wie etwa das Kinderhilfswerk – an einem Strang ziehen.
Um zum Beispiel diesen Kindern in Niger besser helfen zu können, sollten Institutionen der UN – wie etwa das Kinderhilfswerk – an einem Strang ziehen, fordern Hornidge und Baumann. © Kay Nietfeld/dpa

Deutschland als zweitgrößtes Geberland für die Entwicklungsarbeit der UN sollte sich für Konsensfindung unter den Staaten einsetzen. Der Gastbeitrag.

In Berlin steht diese Woche die Entwicklungszusammenarbeit der Vereinten Nationen (UN) zur Diskussion. Es trifft sich die „Utstein-Gruppe“, der zwölf europäische Staaten, die USA, Kanada und Australien angehören. Gegründet wurde der informelle Kreis 1999 von der damaligen Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul und ihren Kolleginnen aus den Niederlanden, Großbritannien und Norwegen im Kloster Utstein, Norwegen.

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unter neuer Leitung hat die Utstein-Gruppe nach zweijähriger Coronapause wiederbelebt sowie für den laufenden Turnus den Vorsitz übernommen. Multilaterale Entwicklungszusammenarbeit gewinnt unter Svenja Schulze an Stellenwert. Gleichzeitig tagt die Gruppe heute auf Arbeits-, nicht Leitungsebene.

Bereits 2016 ist Deutschland zum zweitgrößten Geber der UN-Entwicklungsarbeit nach den USA aufgestiegen. Etwa fünf Milliarden US-Dollar betragen heute die jährlichen Zuwendungen, davon 3,3 für humanitäre Hilfe. Dieser Wandel und die damit einhergehenden Gestaltungsspielräume kommen nur langsam im politischen Bewusstsein an: Die anstehende Reform der Weltbank hin zur „Transformationsbank“, Thema der Frühjahrstagung der Weltbank in Washington vergangene Woche, erfährt ungleich mehr politische Aufmerksamkeit als die Reform des UN-Entwicklungssystems.

Zentrales Thema beim Utstein-Treffen ist es, Fortschritte der 2018 beschlossenen Reform der UN-Entwicklungsarbeit zu reflektieren. Deren Ziel: Besser koordiniert und fokussiert, relevanter angesichts der Herausforderungen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, stärker an den Bedürfnissen der Entwicklungsländer orientiert, auch effizienter zu arbeiten. UN-Einheiten wie das Entwicklungsprogramm UNDP, das Kinderhilfswerk Unicef und rund zwei Dutzend weitere sollen an einem Strang ziehen. Die strukturellen Probleme, insbesondere die Konkurrenz um Geberressourcen unter den UN-Agenturen, bestehen aber weiter und bremsen den Erfolg der Reform.

Fragen der Finanzierung – weniger der Höhe, sondern vielmehr der Art – stehen im Zentrum. In den letzten beiden Dekaden haben zweckgebundene Projektfinanzierungen stetig zugenommen. Das Ergebnis: UN-Agenturen werden zu projektdurchführenden Organisationen, entlang der Agenden der Geberstaaten. Die multilaterale Aushandlung und gemeinsame Definition langfristiger Transformationsagenden für nachhaltige Zukünfte rückt in den Hintergrund. Es ist daher lobenswert, dass Deutschland noch zu Zeiten Gerd Müllers die Kernbeiträge unter anderem für UNDP mehr als verdoppelt hatte. Die Steigerungen gingen jedoch von niedrigem Niveau aus, während gleichzeitig die zweckgebundene Finanzierung weiter zunahm. Noch 2020 war Deutschland mit einem Anteil von 14,3 Prozent Kernbeiträge im Entwicklungsbereich deutlich vom in der UN vereinbarten Zielwert von 30 Prozent entfernt.

Eine Projektitis mit Fokus auf kurzfristigen Zielerreichungen im Klein-Klein steht langfristigem, evidenz- und regelbasiertem Gestalten komplexer Transformationsprozesse entgegen. Die globalen Herausforderungen in den Bereichen Klima, Biodiversität, soziale Ungleichheiten und politische Polarisierungen benötigen jedoch dringend multilateral ausgehandelte Governance für globales Gemeinwohl orientiert an der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Dies bedarf über die Einzelorganisationen hinweg koordinierter UN-Entwicklungsarbeit sowie ihrer Ausweitung mit Ländern aller Einkommensgruppen und einer Setzung der Agenden entlang global-gemeinsamer Prioritäten, nicht nationaler. Es braucht sorgfältig gepflegte Partnerschaften mit unterschiedlichen Stakeholdergruppen der Mitgliedsstaaten und Gesellschaften, internationalen Finanzinstitutionen und Wissenschaft.

Es geht um die Gestaltung globaler Governance für einen sozialverträglichen, klimastabilisierenden und gemeinsamen Umgang mit den großen Herausforderungen unserer Zeit. Die UN-Entwicklungsarbeit kann dabei eine wichtige Rolle spielen. Doch es müssen ihre multilateralen Vorzüge, die Fähigkeit als Plattform für Vermittlung, Austausch und Interessensaushandlung, in Wert gesetzt werden. Deutschland als zweitgrößter Geber ist gefordert, sein politisches Kapital für die Konsensfindung unter den 193 Mitgliedsstaaten einzusetzen. Das Utstein-Treffen in Berlin ist hier ein wichtiger, wenn doch bei weitem nicht ausreichender erster Schritt.

Anna-Katharina Hornidge ist Direktorin des German Institute of Development and Sustainability (IDOS) und Professorin an der Universität Bonn.

Max-Otto Baumann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Programm „Inter- und transnationale Zusammenarbeit“ des IDOS.

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