Smart City für alle

Städte verbessern mit Digitalisierung ihre Angebote. Eigene Plattformen verhindern eine zu große Marktmacht der Tech-Konzerne. Der Gastbeitrag.
Die Diskussion einer optimalen Daseinsvorsorge gewinnt seit der Corona-Pandemie an Schärfe. Aktuell geht es nicht nur um die Diskussion „privat vs. Staat“, sondern darum, welche Leistungen künftig daseinsvorsorgerelevant sind.
Wenngleich die Daseinsvorsorge in Deutschland eine lange Tradition hat, verändert sie vor allem der gesellschaftliche und technologische Wandel. Diskutiert werden folglich Umfang, inhaltliche und organisatorische Ausgestaltung sowie Standards der Leistungserbringung. Aktuell steht die Digitalisierung im Rah-men von „Smart City“ im Fokus. Daraus ergeben sich neue Herausforderungen.
Die Corona-Pandemie wirkt hier als Treiber, indem sie zeigte, welch stabilisierende Funktion die Daseinsvorsorge in einer global vernetzten Welt einnimmt, sei es als stabiles Gesundheitssystem oder als intakter öffentlicher Nahverkehr (ÖPNV). Die Daseinsvorsorge hat sich zwar selbst im Lockdown bewährt, allerdings muss sie über Infrastrukturen hinausgehen, um zukunftsfest zu werden.
Einen zentralen Treiber bilden hier die Digitalisierung und deren Innovationen. Die traditionell sektorale Ausrichtung der Daseinsvorsorge wandelt sich damit stärker in eine sektorenübergreifende Leistungserbringung. Auch sind Synergien möglich. Beispiele gibt es zahlreich. Regenerative Energieerzeugung durch Nutzung von Abwärme einschließlich einer Kopplung von Sektoren (Energie, Wasser, Wohnen) oder als „Treibstoff“ für neue Mobilitätslösungen.
Besonders digitale Plattformen wie die Kopplung verschiedener Verkehrsträger werden bedeutsamer. Diese gehen über eine reine Breitbandversorgung hinaus. Sie spielen damit auch bei der Transformation der Daseinsvorsorge eine zentrale Rolle, etwa im Rahmen der Individualisierung des ÖPNV vom klassischen Angebot bis hin zur individuellen Mikromobilität aus einer Hand (App).
Zum Autor
Oliver Rottmann ist Geschäftsführender Vorstand des Kompetenzzentrums Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge und Geschäftsführer des Komkis Sachsen, beides an der Universität Leipzig.
Voraussetzung für eine wirkungsvolle Digitalisierung der Daseinsvorsorge bildet die intelli-gente Nutzung der aus der kommunalen Infrastruktur gewonnenen Daten und deren Vernetzung mit weiteren städtischen Bereichen. Durch den „smarten“ Einsatz von Daten lassen sich Umweltbelastungen senken und die Lebensqualität steigern.
Eine nachhaltige Daseinsvorsorge in der Smart City ist möglich, wenn sektorale Zusammenhänge mitgedacht und im Ökosystem der Smart City ganzheitlich steuerbar werden. Kommunale Infrastrukturen sind aber nicht einfach zu vernetzen, auch die Datennutzung daraus muss zum Wohle aller gemanagt werden.
Um eine umfassende Daseinsvorsorge zu erreichen, ist es sinnvoll, die in der Smart City gesammelten Daten im kommunalen Eigentum zu belassen und nicht leichtfertig an internationale Tech-Konzerne auszulagern. Derzeit zeigt sich in den Bereichen IKT und Handel die Infrastrukturfunktion digitaler Plattformen besonders deutlich, etwa über Suchmaschinen, soziale Medien oder den Onlinehandel.
Daneben existieren aber verschiedene digitale Dienste wie Dateiablagen, Datenanalysen oder Bezahlverfahren, die eine wesentliche Basis für die digitale Transformation vieler Branchen, auch jene der Daseinsvorsorge, bilden. Diese Marktmacht wächst stetig an, wobei insbesondere die globalen Tech-Konzerne in ihren Kernbereichen bereits eine marktbeherrschende Stellung einnehmen, selbst in der Daseinsvorsorge. Denn bereits gegenwärtig werden hier durch den Netzwerkeffekt große Datenbe-stände generiert.
Darauf basierende Geschäftsmodelle verschaffen diesen Firmen enorme Finanzmittel, die sie in ihre global Marktmacht investieren. In der Daseinsvorsorge nähmen diese Konzerne dann eine Rolle ein, die traditionell dem Gemeinwesen zukommt. Zumindest eine Gemeinwohlorientierung wäre dann nicht mehr gegeben. Dies wirft Fragen auf, ob und wie Daseinsvorsorge im digitalen Raum auf einer demokratisch legitimierten Basis organisiert und gesteuert werden kann.
Vor diesem Hintergrund gewinnt der Aufbau von kommunalen Plattformen, die öffentliche und private Produzenten, Lieferanten und Verbraucher auf der lokalen oder regionalen Ebene zusammenbringen, an Bedeutung. Im Sinne von Bottom-up-Prozessen besteht die Möglichkeit, die digitale Transformation in der Daseinsvorsorge gezielt voranzutreiben und dabei gleichzeitig die kommunale Ebene zu stärken.
Kommunale Daten sollten nicht zwangsläufig auf Servern außerhalb der deutschen oder europäischen Datenschutzregelungen gelagert und verarbeitet werden. Daseinsvorsorgeleistungen, wie Mobilität oder kommunale Quartiersentwicklung, sollten auch datenseitig einer kommunalen Verankerung unterliegen und damit auch im Sinne der Bürger vor Ort genutzt werden.