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Der Vatikan muss Ohnmacht lernen

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Michael Gerber, Bischof von Fulda, steht bei seiner Ankunft am Tagungsort der Synodalversammlung vor Demonstranten, die für die Gleichberechtigung von Frauen in der Kirche protestieren. Bis zum 11. März wollen die deutschen Katholiken ihren seit 2019 laufenden Reformprozess Synodaler Weg vorläufig abschließen. In Frankfurt tritt dafür zum fünfte...
Michael Gerber, Bischof von Fulda, wird bei seiner Ankunft am Tagungsort der Synodalversammlung mit der Forderung nach Gleichberechtigung von Frauen in der Kirche empfangen. © Arne Dedert

Die Bischöfe müssen beim Synodalen Weg zeigen, wo sie stehen: Auf der Seite Roms oder bei den Gläubigen? Ein Gastbeitrag von Theologe Thomas Schüller.

Was mussten sich die Frauen und Männer auf dem Synodalen Weg nicht alles aus Rom anhören: Elitär und eitel seien sie, geistlos gar. Was die deutschen Katholikinnen und Katholiken da mit ihren Vorschlägen für eine Kirchenreform trieben, sei kein synodaler Prozess, der diesen Namen verdiene, und die Themen – Machtkontrolle in der Kirche, Sexualmoral, Weihe von Frauen, Priester-Zölibat – seien meilenweit entfernt vom Glauben des einfachen Volkes. Überhaupt könne man über den Glauben nicht abstimmen, der sei nämlich von Gott.

Was der Papst, die geistlich und intellektuell ausgezehrten „Eliten“ der römischen Kurie und unlängst – zur Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz – auch der mit theologischer Einfalt begnadete päpstliche Nuntius zum Reformprogramm des Synodalen Wegs von sich gaben, ist inzwischen nicht mehr hinnehmbar.

Die Hierarchen im Vatikan sind pikiert über eigenständiges Denken in Deutschland. Schon vorab belegen sie alles mit Verboten, egal was jetzt auf der letzten Synodalversammlung in Frankfurt noch beraten und entschieden werden sollte. Also: kein offenes Ringen um die Zukunft der Kirche in der modernen Gesellschaft, keine katholische Beinfreiheit für die Kirchen vor Ort, sondern Niederknien und Gehorchen. Das ist das uralte Verständnis von Gefolgschaft in der katholischen Kirche. Mit diesem ungerührten Zücken der Machtkarte ist die rote Linie überschritten – von Rom. Hier wird Widerstand zur Pflicht.

Doch plötzlich wackeln den reformwilligen Bischöfen die Knie: Bevor es in Frankfurt ans Abstimmen geht, wollen sie zentrale Textvorlagen weichspülen und so weit entschärfen, dass die notwendigen Mehrheiten in der Synodalversammlung erreicht werden können. Solche Last-Minute-Manöver dürfen ihnen die Synodalen nicht durchgehen lassen. Jetzt muss sich zeigen, wer von den Bischöfen begriffen hat, was die Stunde geschlagen hat, und wo sie stehen: auf der Seite Roms oder bei den Gläubigen?

Beim Verständnis von Synodalität rasen zwei Züge aufeinander zu: Die römische Version will es dem gläubigen Volk allenfalls huldvoll gestatten, den Hirten je nach deren Laune einen Ratschlag zu geben. Am Ende steht hier immer die alleinige Entscheidungsmacht von Papst und Bischöfen. Der Synodale Weg in Deutschland dagegen stellt sich Beratungsgremien mit Entscheidungsbefugnis vor, an deren Voten sich die Bischöfe aus freien Stücken halten. Im System einer absolutistischen Klerikerkirche ist diese Variante der bischöflichen Selbstbindung zurzeit das kirchenrechtliche Maximum.

Die Synodalen sollten in Frankfurt unerschrocken, besonnen und geistlich bewegt ihren mit großer Mehrheit eingeschlagenen Kurs fortsetzen und sich von den Bremsern nicht aufhalten lassen. Bei den Reformvorschlägen zu mehr Mitbestimmung können sie darauf aufbauen, dass es in Deutschland – mit römischer Erlaubnis! – längst Gremien der Finanzverwaltung gibt, die demokratisch gewählt und fachlich befähigt über die Verwendung kirchlicher Mittel entscheiden. Das Bistum Limburg etwa kennt seit 1969 eine Synodalordnung mit einem Diözesansynodalrat, in dem gewählte Männer und Frauen den Bischof beraten und zusammen mit ihm auch zu Entscheidungen gelangen.

Die Konflikte auf dem Synodalen Weg sind Ausdruck und Folge der Sackgasse, in die sich die katholische Kirche mit ihrer Verabsolutierung geistlicher Herrschaft seit dem 19. Jahrhundert hineinmanövriert hat. Konsequent wäre heute die Entmächtigung von Papst und Bischöfen.

Künftig bestünde ihr Dienst in der geistlichen Stärkung der Gläubigen, nicht aber im Ausspielen von Leitungsgewalt unter Zuhilfenahme kirchenrechtlicher Zwangsmittel. Doch welcher Amtsträger möchte wohl vom süßen Gift der formalen Macht lassen, zumal wenn ihm geistliche Autorität längst verloren gegangen ist?

In der katholischen Kirche ist hierarchisch etwas aus der Balance geraten, was dringend synodal austariert werden muss. Bis dahin wird Rom seine Ohnmacht lernen müssen. Im Modus „Befehl und Gehorsam“ geht es heute nicht mehr. Und bestimmt liegt darauf auch kein Segen für die Zukunft der universalen Kirche.

Der Synodale Weg ist ein Dienst an der Kirche und allen in ihr, die sich nach einem vielstimmigen und lebendigen Glauben sehnen, der zur Freiheit ruft. Man möchte den Synodalen zurufen: Habt keine Angst! Sprengt die römischen Fesseln, und fürchtet euch nicht!

Thomas Schüller ist Theologe und Professor für Kirchenrecht an der Uni Münster. Auf der Synodalversammlung in Frankfurt kandidiert er für den „Synodalen Ausschuss“, der die Reformbemühungen des Synodalen Wegs nach dessen Ende fortsetzen soll.

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