Prämie für kein Auto

Der Staat sollte den Wandel der Mobilitätskultur initiieren und allen 2000 Euro geben, die ihren Pkw stilllegen. Nur dann kann Deutschland noch die Klimaschutzziele im Verkehr umsetzen. Der Gastbeitrag.
Verkehrswende rückwärts: Mehr Autos, mehr PS und mehr Straßen. Die Pendelstrecken werden länger und das Fahrzeuggewicht schwerer. Findet die Autonation Deutschland einen Weg zum weniger? Es sollte 2000 Euro vom Staat geben, wenn man sein Auto abschafft.
Die Umstellung auf ein Leben ohne eigenes Automobil wird als radikal empfunden – auch von weiten Teilen der grünen Bewegung. Es ist sozial-kulturell und mental fest verankert. Stau, nervige Parkplatzsuche, steigende Spritpreise und Parkplatzgebühren reichen bisher offenbar nicht aus, um einen Wandel der Mobilitätskultur zu initiieren. Die Frustrationstoleranz ist enorm. Der Pkw-Bestand nimmt kontinuierlich zu, inzwischen sind es mehr als 48 Millionen und damit knapp sieben mehr als 2010.
Wenn man also möchte, dass Millionen Menschen im Laufe der Verkehrswende freiwillig ihr Auto abschaffen, auf Carsharing umsteigen und viele Wege mit Bahn und Rad erledigen, dann braucht es einen Impuls von außen. Er muss stark genug sein, um die Gewohnheiten in Frage zu stellen. Zwingen möchte man die Menschen nicht.
Doch bisher ist die Bundesregierung offenbar nicht daran interessiert, dass Millionen ihre Gewohnheiten ändern und das Intimauto abschaffen. Im Gegenteil verschenkt sie Milliarden, damit die Menschen ihre automobilen Gewohnheiten beibehalten. In Deutschland gibt es viel Geld vom Staat, wenn man einen Dienstwagen fährt, wenn man einen Diesel fährt, wenn man E-Auto fährt, wenn man ein Hybrid-Auto kauft oder wenn man zur Arbeit pendelt. Insgesamt fördern die Behörden klimaschädliches Mobilitätsverhalten mit knapp 30 Milliarden Euro, bilanziert das Umweltbundesamt.
Nur wenn man sein Auto abschafft, gibt es kein Geld. Warum gibt es keine Förderung für das Naheliegende? Es dürfte wohl der weitaus effektivste Beitrag zu Klimaschutz und Verkehrswende sein, den man leisten kann.
Wer sein privates Auto abschafft und mindestens für ein Jahr autofrei bleibt, bekommt 2000 Euro. Verkehrsexperten im Wuppertal Institut gehen davon aus, dass viele Menschen in urbanen Räumen eine „Abschaffprämie“ zum Anlass nähmen, zunächst für ein Jahr den Kauf eines neuen Wagens aufzuschieben und anschließend auch ohne Privatauto glücklich zu leben.
Zum Autor
Michael Kopatz ist wissenschaftlicher Projektleiter am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie und Buchautor.
Der Bund zahlt, die Städte können die Prämie mit eigenen „Incentives“ verstärken: Etwa durch ein günstiges Ticket für den Nahverkehr, einen Zuschuss für E-Bike oder Cargobike und – ganz wichtig – besondere Angebote für Carsharing. Die Umstellung fällt leichter, wenn sich ein Gemeinschaftsauto in unmittelbarer Nähe befindet.
Ich bin davon überzeugt, dass solch ein Selbstversuch über ein Jahr lang genug ist, um neue Routinen zu etablieren. Diese innovative Form einer Abwrackprämie könnte als Milliardenprogramm die Transformation der Mobilitätskultur initiieren.
Knapp 80 Prozent der Bürgerinnen und Bürger wünschen sich weniger Autos in ihrer Gemeinde und rund 40 Prozent können sich vorstellen, zukünftig auf ein eigenes Auto zu verzichten, wie eine Befragung aus dem Jahr 2019 ergab. Demnach haben Millionen schon einmal darüber nachgedacht, ihr Auto abzuschaffen.
Denn die Anschaffungskosten machen beim Intimwagen den größten Anteil aus. Anschließend ergeben sich nur die Kosten für den Unterhalt und in der Regel sehen die Nutzenden allein den Spritpreis. Bus und Bahn erscheinen dann teuer. Aus dem Besitz des Fahrzeugs ergibt sich sozusagen der ökonomische Zwang, es auch zu nutzen, außer wenn Geld keine Rolle spielt.
Die Bundesregierung redet nicht davon, aber um die Klimaschutzziele zu erreichen, wird sich auch die Zahl der Pkw verringern müssen, und das vor allem in den Städten, da man in vielen ländlichen Räumen auch langfristig auf ein Auto angewiesen sein wird. Denn grüner Strom ist kostbar. Mit ihm sollen die Stuben erwärmt, Flugzeuge in Form von Wasserstoff angetrieben werden, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Verschiedene Klimaschutzszenarien gehen daher von einem notwendigen Pkw-Rückgang um bis zu 50 Prozent auf 25 bis 35 Millionen aus. Die Besitzquote liegt derzeit bei über 550 Pkw pro 1000 Einwohner, das Umweltbundesamt schlägt als Zielwert für Großstädte 150 Pkw vor.
Deutschland war mal vorbildlich beim Klimaschutz. Doch jetzt geht es nicht mehr voran. Das liegt nicht zuletzt am Versagen der Verkehrspolitik. Das Ziel der Bundesregierung, bis zum Jahr 2030 die Emissionen im Sektor Verkehr um 40 Prozent zu senken, ist nicht mehr annähernd zu erreichen. Die Emissionen liegen heute fast auf dem gleichen Niveau wie 1990.
In Verbindung mit den angekündigten Investitionen in nachhaltige Infrastrukturen könnte eine Abschaffprämie als förderpolitische Innovation der Anfang sein für einen Wandel unserer Mobilitätskultur, einer mentalen Transformation. Damit wir jungen Menschen nicht die Zukunft klauen. Es muss ein Ruck gehen durch Autodeutschland.