Plädoyer für eine Übergewinnsteuer

Die Sonderabgabe dient einem fairen Wettbewerb. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Der Gastbeitrag.
Ein Widerspruch fordert die Politik heraus: Da profitieren die Energie- und vor allem Mineralölkonzerne mit ihrer monopolistischen Preissetzungsgewalt von den erwarteten Kriegsauswirkungen zusammen mit drohenden Embargos oder Lieferstopps. Dieser profitablen Preistreiberei stehen die Kaufkraftverluste, die die Armut vertiefen, aber auch private Haushalte bis tief in die Mittelschicht belasten, gegenüber.
Nicht nur in Deutschland zeigt sich: Die Mineralölkonzerne mit ihrer Marktmacht nutzen die aktuelle militärisch-politische Krise in Europa zur Durchsetzung von Übergewinnen. Neben dem Kampf gegen diese Monopolstrategien müssen umgehend die Übergewinne mit einer Sondersteuer belegt werden.
Dabei sind Übergewinne gegenüber den Normal- und Innovationsgewinnen abzugrenzen. Es handelt sich um nicht geplante Marktlagengewinne, die allerdings nur mit dem Einsatz von monopolistischer Macht zu heben sind. Mit einer speziellen unternehmerischen Leistung haben diese „Excess Profits“ nichts zu tun. Deutlich davon abzugrenzen sind auch die hohen Pionier- oder Innovationsgewinne infolge erfolgreicher Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen.
Der Finanzminister Christian Lindner (FDP) lehnt diese Sondersteuer auf Übergewinne reflexartig mit dem Hinweis ab, das Steuerrecht kenne keine Unterschiede bei den Gewinnen. Nicht erst heute zeigt sich, dass die Extraprofiteure derzeit durch die steuerliche Gleichbehandlung der Übergewinne mit Normal- und Pioniergewinnen vom deutschen Steuerrecht auch noch belohnt werden.
Clemens Fuest vom Ifo-Institut warnt darüber hinaus vor einem Steuersonderrecht für bestimmte Unternehmen. Dagegen steht das Prinzip, Unternehmen, die mit ihrer Marktmacht Sonderrechte im Wettbewerb zur Aneignung von Übergewinnen nutzen, müssen auch durch eine Sondersteuer sanktioniert werden.
Bei der Suche nach den Ursachen dieser Extraprofite rückt ein im Globalisierungswahn verdrängtes Thema in den Mittelpunkt. Die fünf Mineralölkonzerne in Deutschland, die 65 Prozent des Umsatzes beherrschen, verfügen über eine gefährliche Monopolmacht. Sie vereinen den Besitz von Raffinerien und zugleich von 47 Prozent aller Tankstellen in Deutschland mit Firmen zur Förderung, Lagerung und Vermarktung.
Entscheidendes Instrument für abgeschöpfte Übergewinne sind die Margen zwischen dem Rohölpreis und den Benzinpreisen der Raffinerien oder der Tankstellen. Gegenüber Anfang 2021 ist der Nettogewinnsprung der Mineralölkonzerne gigantisch. Seit dem Ausbruch der aktuellen Krise haben sich die Spritpreise vom Rohölpreis entkoppelt. Nur 20 Cent erklären seit Mitte letzten Jahres die gegenüber dem Rohöl hohen Preise für Benzin und Diesel.
Das Beispiel der eingesetzten Marktmacht demonstriert das Elend mit dem Tankrabatt. Vor dem Start dieses Steuergeschenks sind die Preise schnell noch erhöht und damit der steuerliche Nachlass zum Teil gleichsam vorab einkassiert worden. Immerhin hat Wirtschaftsminister Robert Habeck früh vor diesen Mitnahmeeffekten gewarnt und Preiskontrollen durch das Bundeskartellamt gefordert.
Die durch den Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte eingebrachte Bundesratsinitiative zur Extrasteuer auf Übergewinne zielt auf Einnahmen zur Finanzierung des Ausgleichs sozialer Härten. Der Blick wird auf die Ursachen der Übergewinne durch die Monopolmacht der Mineralölkonzerne gelenkt.
Geklärt werde muss noch, wie die zusätzliche Besteuerung der Übergewinne gestaltet werden soll. Überraschend viele Länder sind dabei, unter dem Druck der profitgetriebenen Inflation solche Besteuerungsmodelle einzuführen. Eine neue Internationale zur Besteuerung monopolistischer Übergewinne zeichnet sich ab. Auch deshalb irrt der Bundesfinanzminister mit seiner Sorge, eine Besteuerung in Deutschland würde zur Verlagerung der Lieferungen durch die Mineralölkonzerne in andere Länder führen, denn dort wird auch die Sondersteuer erhoben.
Schließlich bleibt die Frage, wie Übergewinne zu identifizieren sind. Hilfsweise werden Gewinnindikatoren der vorangegangenen normalen Phase mit der nachfolgenden Übergewinnphase verglichen. Auch bei der Wahl der Besteuerungsbasis wird noch diskutiert über den Umsatz, direkte Gewinne in der Mineralölindustrie, Überrenditen (früher in den USA), die Margen zwischen Rohölpreis und Raffinerie- oder Tankstellenpreise.
Die Steuersätze sind entscheidend: Das gilt nicht nur für staatliche Einnahmen, sondern auch für die Lenkungsfunktion. Je höher der Steuersatz auf exzessive Profite, desto stärker fällt der Druck auf die Konzerne aus, den Marktmissbrauch zu unterlassen. Mit der Sondersteuer die Übergewinne infolge der schrumpfenden Monopolmacht zu erübrigen, dient einer fairen Wettbewerbsordnung.
Rudolf Hickel ist Forschungsleiter am Institut Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen.