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Lützerath muss erhalten bleiben

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Braunkohle
Die Braunkohle unter dem Dorf Lützerath ist für die internationale Klimagerechtigkeitsbewegung wichtig. © Thomas Banneyer/dpa

Die Braunkohle unter dem Dorf in NRW sollte wegen des Klimaschutzes nicht mehr verfeuert werden. Das Projekt muss gestoppt werden. Der Gastbeitrag.

Unter dem Dorf Lützerath liegt eine rund 55 Meter dicke Kohleschicht – dorthin wollen die Bagger des Energiekonzerns RWE, und deshalb ist dieser Ort für die internationale Klimagerechtigkeitsbewegung so wichtig.

Als Vanessa Nakate, eine „Fridays for Future“-Aktivistin aus Uganda, im letzten Sommer zu Besuch war, erklärte sie: „Die spürbaren 1,2 Grad globale Erhitzung sind für unsere Gemeinden bereits die Hölle.“ Die Braunkohle unter Lützerath darf in einer Zeit, in der die Welt bereits extreme Hitzewellen, Überflutungen und Wetterextreme erlebt, nicht mehr verfeuert werden.

Dass sich der Konzern RWE verändern muss, merkt er empfindlich auch an seinem Aktienkurs. Wohl in Erinnerung ist geblieben der Hambacher-Forst-Crash, als nach Urteilsverkündung für den Erhalt des Waldes der Börsenwert innerhalb kurzer Zeit um eine halbe Milliarde Dollar schrumpfte.

Ebenfalls empfindlich reagierten sie auf den Besuch des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm und einiger Sachverständiger bei dem peruanischen Bauern Saúl Luciano Lliuya, der RWE verklagt. Sein Dorf in den Anden bedroht eine Gletscherschmelze, die die Klimaerwärmung auslöste.

Klagen von durch die Klimakrise betroffenen Menschen nehmen seit Jahren global zu und treffen, auch in Deutschland, auf Gesetze, die in einer Zeit geschrieben worden sind, als die Klimakrise noch kaum bis gar nicht im öffentlichen Bewusstsein war. Das deutsche Bergrecht beispielsweise kennt nicht die Klimakrise. Es wurde geschrieben, um den Abbau von Rohstoffen zu regeln, setzt eine Versorgung des Marktes über den Wunsch von Menschen, im Jahr 2022 nicht für Braunkohle enteignet zu werden.

Dem Gericht fehlt auch die Grundlage im Falle des Widerspruchs des Lützerather Landwirts Eckardt Heukamp, gegen seine Enteignung über Klimaschutz zu urteilen. Der Streit für den Erhalt seiner Felder mit fruchtbaren Lössböden sowie seines alten Bauernhofes hätte auch nie alleine auf seinen Schultern liegen dürfen – es liegt an der Politik, Gesetze zu reformieren. Auf Bundesebene arbeiten wir deshalb an einer Reform des Bergrechts.

Aber wie geht es nun weiter mit Lützerath, wenn RWE von September an auf dem Papier Eigentümer des Dorfes wird, das Dorf und die umliegenden Felder aber feste bewohnt werden von Aktivistinnen und Aktivisten der Klimagerechtigkeitsbewegung, wenn große Nichtregierungsorganisationen (NGO) wie Greenpeace vor Ort präsent sind sowie engagierte Menschen jedes Alters?

Der Konzern könnte sich dazu entscheiden darauf zu verzichten, eine Räumung einzufordern, und eine zukünftige mögliche Landesregierung eines Ministerpräsidenten Hendrik Wüst könnte sich dazu entscheiden, dafür in Gespräche zu gehen. Die Alternative wäre eine Großräumung, den sozialen Frieden der Region zu gefährden und verletzte Aktivistinnen und Aktivisten sowie Polizistinnen und Polizisten in Kauf zu nehmen. Alles für die Verfeuerung von Braunkohle, die im Angesicht der Klimakrise im Boden bleiben sollte.

Zu lange wurde in Nordrhein-Westfalen (NRW) Politik gemacht für die (Profit-)Interessen von RWE – nicht aber für das Interesse des Gemeinwohls, mit Blick auf die Herausforderungen der Klimakrise. Dem entgegen hat sich im letzten Jahrzehnt eine sehr starke und vielfältige Bewegung gestellt, die es schaffte, 50 000 Menschen für den Erhalt des Hambacher Waldes zu organisieren.

Seitdem ist die Klimagerechtigkeitsbewegung mit Akteuren wie „Fridays for Future“ noch einmal ordentlich gewachsen. Wer Lützerath zerstören will, wird Widerstand spüren. Noch ist aber nicht Herbst, noch ist kein Räumungsversuch, noch ist Zeit zu reden, zu verhandeln. Möchte Wüst ein Ministerpräsident werden, der die Bedürfnisse aller Menschen und der zukünftigen Generationen ernst nimmt, wird er ebenfalls nach Lösungen suchen wollen.

Erst vor kurzem haben Tornados in NRW gewütet, und große Teile Deutschlands leiden nach wie vor unter einer anhaltenden Dürre. Die Auswirkungen der Klimakrise sind bei uns angekommen. Wüst kann sich entscheiden, ob er Verantwortung übernehmen oder ob er in die Fußstapfen von Armin Laschet treten möchte, der selbst im Angesicht der Flutkatastrophe im letzten Sommer seine Politik nicht ändern wollte und sich mit der Räumung des Hambacher Waldes ein grausames Denkmal gesetzt hat.

Für mich ist eins klar: Der soziale Frieden meiner Region muss mehr Gewicht haben als der Unwille und die Profitgier eines Konzerns, der sichtlich noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen ist.

Kathrin Henneberger ist Grünen-Bundestagsabgeordnete aus der Region des Tagebaus Garzweiler. Für die Bundestagsfraktion ist sie unter anderem für Kohlepolitik zuständig.

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