Liebes OVG in Münster,

als ich am Montag auf mein Handy geschaut habe, war ich etwas überfordert. Überall hieß es: Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat sich entschieden! Das Ergebnis überraschte mich leider wenig: Die Enteignung des Dorfes Lützerath darf für die Ausweitung des Garzweiler Tagebaus fortgesetzt werden.
Würde ich mich nicht bereits länger fürs Klima engagieren, würde ich Fragen stellen wie: warum? Wenn Lützerath fällt, und die Braunkohle verbrannt wird, ist die Einhaltung des deutschen 1,5-Grad- konformen Emissionspfads unmöglich. Wieso steht ein jahrzehntealtes Gesetz zum Bergrecht über unseren Menschenrechten und unserem Recht auf Zukunft, dass das Verfassungsgericht anerkannt hat? Wieso erkennt das Gericht die Ergebnisse zahlreicher Forschenden nicht an? Aber Wissenschaftsfeindlichkeit möchte ich Ihnen nicht vorwerfen.
Es geht hier wohl weniger um Leugnung messbarer Missstände, die allerspätestens durch die IPCC-Berichte glasklar sein sollten. Dass sofortiges Handeln jetzt gefordert und ein sofortiger Stopp aller destruktiven und klimaschädlichen Handlungen notwendig ist, um noch irgendwie die Kurve zu kriegen, liegt auf der Hand. Es geht hier um ein größeres und älteres Problem, das in Deutschland öfter aufkommt: Politik und Justiz stellen Kapitalinteressen von Großkonzernen gerne mal über das Allgemeinwohl. Das können wir nicht länger hinnehmen.
Es profitiert niemand davon, dass ein riesengroßes, hässliches Loch mitten in NRW entsteht, die Braunkohle darin verballert wird, und Unmengen an CO2 in die Luft gepustet werden – außer vielleicht Markus Krebber, CEO von RWE, und andere hohe Tiere in und um den Konzern, nicht zuletzt auch Politiker*innen von der Kommunal- bis zur Bundesebene, die bei und durch RWE Karriere machen.
Es geht hier nicht „nur“ um Lützerath oder die anderen abgerissenen oder bedrohten Dörfer, nicht nur um irgendwelche CEOs oder Politiker*innen. Die Klimakrise ist bereits da, und nur weil wir hier im globalen Norden noch vergleichsweise wenig davon spüren, heißt das nicht, dass sie nicht bereits woanders die Tür einrennt.
Der Wohlstand, auf dem sich Herr Krebber & Co. ausruhen, steht auf den Schultern aller Menschen, die bereits leiden. Lützerath einem Kohleriesen zum Fraß vorzuwerfen, ist das Gegenteil von dem, was jetzt getan werden muss.
Die Wissenschaft ist sich einig. Ich hoffe, dass sie auch bei Ihnen Gehör findet.
Hoffnungsvolle Grüße,
Sumejja Dizdarevic
Hier schreiben alle zwei Wochen Aktivistinnen und Aktivisten der „Fridays for Future“-Bewegung.