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Kurswechsel nötig bei Bildung und Forschung

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Bettina Stark-Watzinger (FDP), Bundesministerin für Bildung und Forschung, spricht beim Bildungsgipfel Mitte März. Vertreter von Bund, Ländern, Kommunen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft diskutierten dort über die Herausforderungen im Bildungssystem.
Bettina Stark-Watzinger (FDP), Bundesministerin für Bildung und Forschung, spricht beim Bildungsgipfel Mitte März. Vertreter von Bund, Ländern, Kommunen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft diskutierten dort über die Herausforderungen im Bildungssystem. © Christophe Gateau/dpa

Die Probleme von Schulen und Unis lassen sich nur lösen, wenn Politik und Gesellschaft Konzepte erarbeiten. Ein Gastbeitrag von Maike Finnern.

Wenn die Politik zu Gipfeln lädt, ist dies in aller Regel ein sicheres Indiz dafür, dass die Situation dramatisch ist. Diese Faustregel bestätigten die jüngsten Treffen, die zu den Themen Bildung und Forschung stattgefunden haben. Die Gipfel waren mit hohen Erwartungen aufgeladen. Doch erfüllten sie diese auch?

Der Bildungsgipfel, zu dem Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) eingeladen hatte, ist ohne greifbares Ergebnis geblieben. Nicht einmal die „Taskforce Team Bildung“, die die Ministerin einrichten wollte, wird es vorerst geben. Das hat die Kultusministerkonferenz (KMK) abgeräumt. Bisher gibt es nur ein Papier mit fünf Thesen.

Auch der Forschungsgipfel, der ein paar Tage später stattfand und unter dem Motto „Blockaden lösen, Chancen nutzen“ stand, führte nur zu überschaubaren Ergebnissen. Notwendig ist jedoch ein Kurswechsel in der Forschungspolitik, der für mehr Dauerstellen für Daueraufgaben und eine dynamische Grundfinanzierung der Hochschulen und Forschungseinrichtungen sorgt.

Schon bevor der Startschuss für den Bildungsgipfel gefallen war, hagelte es von vielen Seiten Kritik. Auch die GEW stimmte in den Chor der Kritiker:innen ein. Warum? Schon das Format des Bildungsgipfels war enttäuschend. Es konnte den Aufgaben, vor denen das gesamte Bildungswesen steht, nicht gerecht werden. Schon gar nicht in den drei Stunden, die für den Gipfel, der auf eine Vereinbarung im Vertrag der Ampelkoalition zurückgeht, angesetzt waren. Zudem war die Zielsetzung zu eng gefasst: Der inhaltliche Fokus der Veranstaltung lag lediglich auf dem Thema „Schule“, obwohl es auch in allen anderen Bildungsbereichen großen Handlungsbedarf gibt.

14 der 16 Kultusminister:innen der Länder erschienen erst gar nicht zu dem Gipfel, darunter alle CDU/CSU-Vertreter:innen. Auch wenn es Stark-Watzinger allen Kritiker:innen mit der alles andere als gelungenen Vorbereitung des Gipfels leicht gemacht hat. Es zeugt nicht von Verantwortungsbewusstsein und Lösungsorientierung, wenn die Schulchefs und -chefinnen der Länder mit dem dünnen Argument der nicht ausreichenden inhaltlichen Einbindung im Vorlauf zu dem Gipfel durch Abwesenheit glänzen.

Das Fehlen der Länder war enttäuschend und nicht zielführend, weil die Herausforderungen, vor denen das gesamte Bildungswesen steht, riesig sind. Es ist existenziell notwendig, dass sich Bund, Länder und Kommunen stärker aufeinander zubewegen, an einem Strang ziehen und Vertreter:innen der Eltern, Schüler:innen und die Gewerkschaften der Pädagog:innen auf Augenhöhe einbeziehen. Nur so können endlich tragfähige Lösungen entwickelt werden.

Und das sind die Herausforderungen: Die chronische Unterfinanzierung des Bildungswesens und der dramatische Fachkräftemangel in der ganzen Bildungskette überlagern alle anderen Probleme oder lösen diese aus.

Zudem müssen die Mittel, die in die Bildung fließen, zielgerichteter verteilt und dort eingesetzt werden, wo sie am dringendsten benötigt werden, also für arme und bildungsbenachteiligte Kinder und Familien. Genau dafür ist aber das bisher übliche Instrument des „Königsteiner Schlüssels“ nicht geeignet. Die Mittel müssen künftig nach Sozialindizes zugewiesen werden. Vorschläge dafür liegen auf dem Tisch. Doch die KMK kann sich nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen und springt damit viel zu kurz.

Aber ohne einen grundlegenden, bundesweiten Kurswechsel in der Bildungspolitik werden die gesellschaftlich notwendigen und sinnvollen Projekte nicht umzusetzen sein. Dazu gehören der Ausbau des Ganztags und der Digitalisierung, die Sanierung der Bildungseinrichtungen, die Weiterentwicklung der Inklusion und die Integration geflüchteter Menschen, um nur einige Baustellen zu nennen.

Auch für die Bewältigung des Fachkräftemangels in vielen Arbeitssektoren muss die enge Abhängigkeit des Bildungserfolges der Kinder und Jugendlichen von ihrer sozialen Herkunft, die Achillesferse des Bildungssystems in Deutschland, entkoppelt und damit für mehr Chancengleichheit gesorgt werden. Um diese Aufgaben zu stemmen, muss der Bildungsföderalismus reformiert werden. Dabei geht es nicht darum, diesen aufzuheben, sondern ihn zukunftsfähig zu gestalten und so zu entwickeln, dass die unterschiedlichen Entscheidungsebenen verbindlicher und effektiver zusammenarbeiten.

Es ist ein sinnvoller Ansatz, Bildungspolitik über Staatsverträge zu steuern und das Kooperationsverbot für eine gemeinsame Finanzierung aller Ebenen aufzuheben. So können aus Bildungshügeln doch noch etwas Produktives und ein radikales Umsteuern in der Bildung erwachsen – schließlich geht es um die Zukunftschancen der Menschen in unserer Gesellschaft.

Maike Finnern ist Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).

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