Kein verstrahltes Wasser ins Meer

Radionuklide dürfen nicht in den Ozean verklappt werden - zwölf Jahre nach dem Super-Gau in Fukushima. Der Gastbeitrag.
Am heutigen 11. März jährt sich die Atomkatastrophe von Fukushima zum 12. Mal. Die Folgen der Katastrophe sind bis heute nicht ausgestanden. Noch immer leben 32 000 Evakuierte Fukushimas außerhalb ihrer verstrahlten Heimat. Die Rate für Schilddrüsenkrebs bei Kindern und Jugendlichen in der Präfektur Fukushima ist seit dem Super-GAU um das 15-fache erhöht. Jetzt hat die japanische Regierung entschieden, 1,3 Millionen Tonnen kontaminiertes Kühlwasser aus den havarierten Reaktoren im Pazifik zu verklappen.
Seit dem Atomunfall vor zwölf Jahren müssen die hoch-radioaktiven Bereiche des AKW, die noch immer Wärme entwickeln, kontinuierlich mit Wasser gekühlt werden. Dabei sind bereits über 1,3 Millionen Tonnen verstrahltes Kühlwasser angefallen.
Dieses wird mithilfe eines Aufbereitungssystems gereinigt. Das Verfahren zur Dekontamination soll alle Radionuklide entfernen können – bis auf Tritium. Tritium ist ein Beta-Strahler, der sich schwer filtern lässt. Einmal in den Körper aufgenommen, kann er erhebliche Folgen haben und z. B. zu DNS-Schäden führen.
Die Betreiberfirma der Fukushima-Reaktoren Tepco musste zudem bereits einräumen, dass es bei zwei Dritteln des Wassers nicht gelang, die Radionuklide im Kühlwasser ausreichend zu entfernen. Eine enorme Wassermenge von 855 000 Kubikmetern muss erneut behandelt und kontrolliert werden. Mehr als 80 Prozent des gelagerten Wassers lagen bis vor Kurzem weiterhin oberhalb der Strahlengrenzwerte.
Bislang gibt es wenig gesicherte Erkenntnisse über die zu erwartenden Folgen, wenn Milliarden Liter radioaktiv verseuchtes Wasser ins Meer geleitet werden. Darauf wiesen das Forum der Pazifikstaaten und die internationalen Ozeanforscher:innen hin.
Tepco, die japanische Regierung und Atomkraftbefürwortende weltweit deuten dieses Nichtwissen in vermeintliche Sicherheit um. Japans Nationales Institut für Strahlenforschung postuliert, dass sich radioaktives Wasser im Meer derart schnell vermische, dass die Konzentration nur noch sehr gering sei. Ein solches Postulat blendet die Anreicherungsprozesse in der Nahrungskette aus.
Dies wäre notwendig, um anhand der Lebewesen im Meer die Anreicherungskette der Radionuklide von ihrem Ursprungsort bis zum großen Meerestier konkret zu verfolgen. Das ist schwierig, komplex und teuer.
Hinweise auf eine Anreicherung in der Nahrungskette gibt es bereits. So wurden Radionuklide aus Fukushima in Thunfischen in Kalifornien nachgewiesen. Auch Wildschweine in Bayern sind infolge des Tschernobyl-Fallouts teilweise noch immer kontaminiert. Selbst eine regionale Kontrolle in Fukushima und das Aussortieren von gefangenen Fischen mit überhöhten Werten, reicht nicht aus. Das Problem breitet sich im Ozean aus.
Durch den Verzehr von radioaktiv verseuchten Fischen und anderen Meerestieren kann es, mit einer Latenzzeit, zu schweren, gesundheitlichen Schäden wie Krebserkrankungen kommen – besonders bei Kindern, jungen Frauen und Schwangeren. Jede noch so geringe Strahlenbelastung ist potentiell gesundheitsschädigend.
Biologisch gibt es keinen Schwellenwert, unterhalb dessen Strahlung ungefährlich wäre. Dennoch gilt international ein „Grenzwert“ von einem Millisievert (mSV) pro Jahr und Person, der nicht überschritten werden soll. Dieser orientiert sich stets am sogenannten Reference Man, einem gesunden jungen männlichen Erwachsenen. Er berücksichtigt nicht die besondere Strahlensensibilität von Embryos, Kindern, Frauen und älteren Menschen.
Die im kontaminierten Kühlwasser vorhandenen Radionuklide haben zum Teil sehr lange Halbwertzeiten, die sich schädigend auf die DNS von Lebewesen wie Austern, Muscheln und Fischen auswirken. Die von Tepco vorgelegten Daten sind ungenügend und zum Teil nicht korrekt.
Deshalb fordern Expert:innen einen Aufschub der Verklappung, erneute Reinigung des Wassers und vermehrte Studien zu Prozessen der Anreicherung von Radionukliden in Meerestieren. Auch die beiden Anrainerstaaten Südkorea und China äußern ernsthafte Bedenken gegen die Verklappung.
Eine mögliche Alternative könnte die Langzeit-Lagerung, über 100 Jahre an Land sein. Viele der radioaktiven Isotope würden in dieser Zeit allein durch ihren natürlichen Zerfall einiges an Gefährlichkeit einbüßen. Hinzu kommt, dass im Laufe der Zeit ganz andere technische Verfahren möglich sein werden, um das Wasser grundlegend zu dekontaminieren. Das Wasser jetzt im Ozean zu verklappen, ist schlicht unverantwortlich.
Angelika Claußen ist Co-Vorsitzende der IPPNW Deutschland und Europavorsitzende der IPPNW.