Für Sicherheit sorgt nicht nur das Militär

Der Global Fund for Social Protection muss auf die politische Agenda. Der Gastbeitrag.
Putins Angriffskrieg hat unermessliches Leid über die Menschen in der Ukraine gebracht. Die Bundeswehr gut und auf Höhe der Zeit auszurüsten, ist die richtige Antwort auf die imperialistische Politik Putins. Aber bei der Finanzierung internationaler Sicherheitsaufgaben primär auf militärischen Schutz zu vertrauen, greift zu kurz. Denn die Auswirkungen dieses Völkerrechtsverbrechens machen an der Grenze der Ukraine nicht halt, sondern sind in vielen anderen Teilen der Welt zu spüren – in den Nachbarländern, in denen fliehende Menschen Schutz suchen. Aber auch in Ländern des Globalen Südens.
Die Krisen unserer Zeit sind miteinander verwoben: Der Krieg in der Ukraine wird laut Welternährungsprogramm die weltweite Hungerkrise verschärfen, weil die Getreideexporte aus der Schwarzmeer-Region weitgehend ausfallen. Der Anstieg der Energie- und Lebensmittelpreise wird weitere 40 Millionen Menschen zusätzlich in die extreme Armut treiben, schätzt das Center for Global Development. Hunger und Armut spalten Gesellschaften, führen erneut zu Krisen und Konflikten – die „Brotaufstände“ 2008 in Haiti, Indonesien und mehreren afrikanischen und arabischen Ländern sind Beispiele hierfür.
Diesen Krisenkaskaden müssen wir angemessen begegnen, indem wir Sicherheit im 21. Jahrhundert auf Grundlage unserer menschenrechtlichen Verpflichtungen umfassend begreifen. Eine wertegeleitete, feministische Außenpolitik setzt nicht nur auf die Sicherheit von Landesgrenzen oder politischen Systemen, sondern in erster Linie auf die Sicherheit von Menschen!
Deren Sicherheit wird nicht nur durch skrupellose Aggressoren und Kriegsverbrecher bedroht, sondern ganz konkret auch durch Ernährungs- und Gesundheitsbedrohungen, durch Armut, durch Umweltzerstörung und die Folgen der Klimakrise, durch wirtschaftliche Instabilität und strukturelle Gewalt. Armut global zu bekämpfen ist ein menschenrechtliches und gerechtigkeitspolitisches Gebot, wirkt aber auch präventiv gegen Konflikte.
Im Sinne eines umfassenden Sicherheitsbegriffs muss der Vorsorge gegen Armutsrisiken durch soziale Sicherungssysteme viel mehr Aufmerksamkeit zukommen. Was uns in Deutschland selbstverständlich vor Armut schützt, unsere Existenzen sichert und unsere Gesellschaft zusammenhält, ist in den meisten Ländern Subsahara-Afrikas oder Südasiens kaum vorhanden.
Weniger als die Hälfte der Weltbevölkerung ist ausreichend sozial abgesichert. Das bedeutet, dass im Fall plötzlich auftretender Krisen mehr als vier Milliarden Menschen existenziell bedroht sind.
Ein wichtiges Mittel zur Unterstützung von Ländern, die keine ausreichenden Ressourcen zur Verfügung haben, um ihrer Bevölkerung ein Mindestmaß an sozialer Sicherung wie ein Basiseinkommen und Zugang zu Gesundheitsleistungen zu ermöglichen, ist der von den Ampelfraktionen im Koalitionsvertrag verankerte Global Fund for Social Protection. Mit diesem sollen die Partnerländer im Globalen Süden durch den Aufbau sozialer Sicherungssysteme aktiv im Kampf gegen Armut unterstützt werden. Langfristig soll das Ziel sein, dass die Länder in die Lage versetzt werden, ihre Sozialprogramme vollständig selbst zu finanzieren.
Fest steht, dass die Bundesregierung nun für viele Bereiche Geld in die Hand nehmen muss: Für die Energiewende, die soziale Abfederung der gestiegenen Energiekosten, für viele Vorhaben, die notwendig sind, um eine sozialökologische Transformation auf den Weg zu bringen. Wir müssen aber auch zur Überwindung der extremen Armut in der Welt einen Beitrag leisten.
Im aktuellen Haushaltsplan werden die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit um 1,6 Milliarden Euro gekürzt. Diese Kürzung steht in keinem Verhältnis zu den 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr. Hier muss bei den anstehenden Beratungen über den Haushaltplan noch einmal deutlich nachgebessert werden.
Und im Rahmen der G7-Präsidentschaft kann sich die Bundesregierung nachdrücklich für die Einrichtung eines Global Fund for Social Protection einsetzen. Die über den Fonds im Globalen Süden unterstützten Programme sozialer Sicherung würden nicht nur Millionen Menschen aus existenzieller Not befreien, sondern vor allem den gesellschaftlichen Frieden und die Stabilität fördern. Damit würden wir einen maßgeblichen Beitrag zur Vermeidung von Konflikten leisten, deren Auswirkungen auch wir wohl schnell zu spüren bekämen.
Pegah Edalatian ist Vize-Bundesvorsitzende der Grünen.
Markus Kaltenborn ist Professor für Öffentliches Recht und Direktor des Instituts für Entwicklungsforschung und Entwicklungspolitik der Ruhr-Universität Bochum.