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Die Zeiten der Kosmetik bei Diversität sind vorbei

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Die Diversität, die Firmen sich auf die Fahnen schreiben, sind bei manchen Unternehmen nurmehr Kosmetik.
Die Diversität, die Firmen sich auf die Fahnen schreiben, sind bei manchen Unternehmen nurmehr Kosmetik. © Christoph Hardt/Imago (Symbolbild)

In der Krise sind jene Firmen erfolgreicher, die Frauen halten und nicht entlassen. Der Gastbeitrag von Barbara Lutz, Gründerin des Frauen-Karriere-Index.

Krisenzeiten sind keine guten Zeiten für Diversität in Unternehmen. In wirtschaftlich schwierigen Phasen müssen Firmen Prioritäten setzen. Die Förderung von Diversität zählt dann nicht mehr dazu. Stehen gar Stellenstreichungen an, sind nicht selten Frauen die Verliererinnen.

Dieses Muster kennen wir seit vielen Jahren. Das Platzen der Immobilienblase in den USA im Jahr 2008 und der darauffolgende Super-GAU an den Finanzmärkten gilt vielen noch heute als Mahnmal für den Beginn einer langen Durststrecke für Frauenkarrieren.

Jetzt stehen wir wieder am Beginn einer Krise – und wieder beobachten wir einen Rückfall in eigentlich überwunden geglaubte Muster. Dabei hatte es sich in den vergangenen Jahren doch die Erkenntnis durchgesetzt, dass Vielfalt keineswegs ein Nice-to-have für gute Zeiten ist – sondern vielmehr ein handfestes wirtschaftliches Erfolgsmodell. In den zurückliegenden Jahren des Wirtschaftswachstums buhlten viele Firmen intensiv um Mitarbeiterinnen und weibliche Führungskräfte.

In der Krise aber scheint es nun wieder geradezu naheliegend, Frauen auf die Entlassungsliste zu setzen. Letztlich läuft es auf die einfache wie fatale Faustformel hinaus: Frauen sind meist nicht die Haupternährerinnen ihrer Familie. Daher ist die Trennung für beide Seiten vermeintlich in Ordnung. Die langfristigen Konsequenzen für beide Seiten geraten dabei aus dem Blick.

Werden Kriegsfolgen und Krise einen der wesentlichen Transformationsprozesse unserer Zeit zurückwerfen? Anzeichen wie die vermutlich anstehende Rezession oder eine sich verschlechternde Wirtschaftslage scheinen dafür zu sprechen. Bei der Antwort auf diese Frage empfiehlt sich aber ein klarer und nüchterner Blick auf Fakten und Daten. So viel sei vorweggenommen: Die Analyse gibt Anlass zur Sorge – aber auch Anlass zur Hoffnung.

Bereits beim Ausbruch der Corona-Pandemie gab es ähnliche Befürchtungen. Die Wirtschaftskrise werde Frauen in die 1950er-Jahre zurückwerfen, so einige Prognosen. Gekommen ist es anders. Die Konjunktur erwies sich als krisenfester als erwartet. Und in vielen Unternehmen haben sich die Frauenkarrieren sogar überdurchschnittlich entwickelt. Denn die Pandemie hat das flexible Arbeiten vielerorts nicht nur erleichtert, sondern kulturell etabliert.

Als ich vor mehr als zehn Jahren begonnen habe, mit dem Frauen-Karriere-Index in großen Unternehmen Zahlen zum Thema Diversität zu erheben, war dies ein Start im Fahrwasser der Finanzkrise von 2008.

Bis heute haben wir fast zwei Millionen Beschäftigte befragt und aufgrund dieser Datenlage können wir nicht nur die Folgen der Krise von 2008 analysieren. Wir haben auch ein Modell entwickelt, das uns erlaubt, die Fortentwicklung von Diversitätsmaßnahmen in Unternehmen einzuschätzen.

Mehr als ein Jahr nach Ausbruch des Kriegs in der Ukraine zeigt sich: Unternehmen, die Diversität systemisch in den Transformationsprozess ihrer Organisation implementiert haben, verwerfen ihre Pläne auch nicht in Krisenzeiten. Sie haben eine streng KPI-basierte Strategie gewählt, die auch in schweren Phasen nicht über den Haufen geworfen wird. Über Diversität wird hier vom Vorstandstisch entschieden. Erfolg und Misserfolg sind eindeutig messbar. Das hat auch zur Folge, dass man Fehlschläge schnell erkennt und nachsteuern kann.

Firmen, die sich aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entscheiden, Diversitätsmaßnahmen zusammenzustreichen, fallen dagegen schlagartig in gestrige Muster zurück. Alte, oft männlich dominierte Netzwerke, gewinnen wieder die Oberhand. Das teils über Jahre Erarbeitete und Erreichte kann nicht mehr geschützt werden. Überproportional viele Frau verlassen den Betrieb und in einigen Jahren muss die gesamte Organisation wieder bei null starten.

Auffällig ist: Es handelt es sich hierbei überwiegend um Unternehmen, die Diversität bisher nur vordergründig als Marketingaufgabe gesehen haben. Diversität erfordert zwar auch Kommunikation – aber das Thema ist eben weit mehr als ein Imagefaktor. Vor der Kommunikation steht die nachhaltige, substanzielle Veränderung.

Die Firmen, die nun in alte Verhaltensmuster zurückfallen, haben letztlich nur Diversity-Kosmetik betrieben. Kosmetik verursacht aber hauptsächlich Kosten und bietet kaum Mehrwerte auf dem Weg zu einer diverseren und damit erfolgreicheren Organisation. Frei von dieser Kosmetik zeigen einige Firmen nun ihr ungeschminktes Gesicht. Aber andere sehen wiederum recht vielfältig aus.

Barbara Lutz ist die Gründerin des Frauen-Karriere-Index (FKi-Diversity), der seit 2012 mehr als 300 teilnehmenden Unternehmen in 16 Ländern Indikatoren und Maßnahmen zum Thema Diversität und Inklusion liefert.

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