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Die Pflege braucht dringend Hilfe

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Von: Maria Klein-Schmeink, Kordula Schulz-Asche

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Was ist zu tun, um die pflegerische Versorgung in Deutschland sicherzustellen? Wesentliche Schlüssel dazu finden sich im Koalitionsvertrag der Regierungskoalition.
Was ist zu tun, um die pflegerische Versorgung in Deutschland sicherzustellen? Wesentliche Schlüssel dazu finden sich im Koalitionsvertrag der Regierungskoalition. © Christophe Gateau/dpa

Bund, Länder und Kommunen müssen alles tun, damit Bedürftige nicht auf der Strecke bleiben. Der Gastbeitrag.

Der demografische Wandel gehört zu den größten Herausforderungen unserer Zeit. Innerhalb von nur zehn Jahren hat sich die Zahl der Pflegebedürftigen auf fast fünf Millionen Menschen verdoppelt.

Immer öfter erhalten Familien auf der Suche nach einem ambulanten Pflegedienst eine Absage. Die Unterstützungsleistungen der Pflegeversicherung verlieren kontinuierlich an Wert. Auch in der professionellen Pflege ist die Lage angespannt. Überstunden und eine hohe Arbeitsbelastung verleiden vielen Pflegekräften ihren Job. Zu Recht fragen sich viele Menschen: Was ist die Antwort der Politik auf diese Probleme?

Zwar war die Politik in den letzten Jahren nicht untätig. Eine bessere Bezahlung, bessere Personalschlüssel und finanzielle Hilfen in der Langzeitpflege sind auf den Weg gebracht. Und doch stehen wir vor erheblichen Problemen.

Was also ist zu tun, um die pflegerische Versorgung in Deutschland sicherzustellen? Wir sagen: Wesentliche Schlüssel dazu finden sich im Koalitionsvertrag der Ampelkoalition und müssen jetzt umgesetzt werden.

Fünf von sechs Pflegebedürftigen werden in Deutschland zu Hause gepflegt, in vielen Fällen sogar ohne die Unterstützung von professionellen Pflegediensten. Pflegende Angehörige sind „der Eisberg unter der Spitze“ der pflegerischen Versorgung und brauchen Unterstützung. Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, das Pflegegeld zu erhöhen und ein Entlastungsbudget zur unbürokratischen Unterstützung pflegender Angehöriger einzuführen. Diese Zusagen müssen wir jetzt zeitnah einlösen.

Das geht aber nur, wenn die Pflegeversicherung über die entsprechenden Mittel verfügt. Durch die Übernahme von gesamtgesellschaftlichen Aufgaben wie Pandemiekosten und Rentenbeiträge für pflegende Angehörige ist sie in eine Schieflage geraten. Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, diese Ausgaben auszugleichen. Das darf jetzt nicht im Tauziehen um knappe Haushaltsmittel untergehen. Ein Kanzler, der mit den Schlagworten „Respekt, Anerkennung, Achtung“ angetreten ist, muss im Zweifel ein Machtwort sprechen und zeigen, was ihm die Pflege wert ist.

Wenn der Finanzminister die vereinbarten Steuermittel nicht bereitstellt, müssen andere zusätzliche Einnahmen her. Neben einer moderaten Beitragssatzanpassung sollten wir kurzfristig eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze und der Pflichtversicherungsgrenze in den Fokus nehmen. Auch ein Ausgleich der Kosten zwischen der privaten und der sozialen Pflegeversicherung würde Ausgaben senken und damit Spielräume eröffnen.

Es geht auch um Maßnahmen unabhängig von dieser konkreten Finanzsituation. Es ist unsere Aufgabe, die Rolle von Pflegekräften im Gesundheitswesen neu zu denken und Entwicklungsperspektiven für sie zu schaffen. Als akademisch ausgebildete Community Health Nurse, die heilkundliche Tätigkeiten ausübt, können Pflegekräfte mehr Verantwortung bei der Versorgung übernehmen.

Gemeindepfleger:innen mit einer Pflegeausbildung können erste Ansprechpartner:innen werden, insbesondere in Gebieten, in denen ansonsten die gesundheitliche Versorgung schwer sicherzustellen ist. Diese Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag wollen wir zeitnah umsetzen.

Ohne Zuwanderung wird der Fachkräftemangel nicht zu beheben sein, weder allgemein, noch in der Pflege. Nur auf fertig ausgebildete Fachkräfte zu setzen, reicht nicht mehr für die Zukunft. Ein Pflegestipendium inklusive Sprachkurs kann junge Menschen dazu ermutigen, nach Deutschland zu kommen, um hier eine Pflegeausbildung zu machen. Vorerfahrung im Ausland auf jeder Stufe ist für uns wertvoll und muss als solche berücksichtigt werden. Der Neuanfang in der Migrations- und Integrationspolitik, den wir als Ampelkoalition wagen wollen, hat somit auch eine große Bedeutung für die Pflege in Deutschland.

Pflege ist und bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die alle Kräfte braucht: Bund, Länder, Kommunen, Pflegekassen, Pflegeeinrichtungen und –dienste, Vereine und Verbände, professionelle Pflegekräfte, pflegende Angehörige und nicht zuletzt aktive Nachbarschaften, die unterstützen.

Eine Schlüsselrolle kommt bei all diesen Herausforderungen den Kommunen zu. Hier kennt man die Gegebenheiten vor Ort und kann gezielt Angebote entwickeln. Wir müssen uns den Herausforderungen des demografischen Wandels stellen und dafür alle an einem Strang ziehen.

Maria Klein-Schmeink ist Grünen-Bundestagsabgeordnete un Vize-Fraktionsvorsitzende,

Kordula Schulz-Asche ist Grünen-Bundestagsabgeordnete und Berichterstatterin für Pflegepolitik der Fraktion.

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