Salzbachtalbrücke: Der Kollaps von Autobahnbrücken hat einen Grund

Einsturzgefährdete Objekte sind Folgen einer verfehlten Politik der Privatisierung. Der Gastbeitrag von Laura Valentukeviciute und Herbert Storn.
Frankfurt - Um zu erklären, weshalb die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden durch eine marode Brücke für längere Zeit vom Bahnverkehr abgeschnitten wird, muss man in die Geschichte zurückgehen. Das Bild von der vernachlässigten Infrastruktur, nicht zuletzt verstärkt durch die „schwarze Null“, ist nicht falsch, aber nur die halbe Wahrheit.
Nun ist es nicht so, dass die Schadhaftigkeit nicht schon amtlich wahrgenommen worden wäre. Nur passiert ist scheinbar nichts, aber eben nur scheinbar. Die Zuständigen waren mit der Umsetzung einer Privatisierungsstrategie aus 2015 beschäftigt, die dazu führte, dass im Sommer 2021 die Zuständigkeit für die Autobahnen und ihre Reparaturen bei mindestens zwei Gesellschaften und einer Behörde liegen. Dies sollte die Autobahn-GmbH leisten, die 2017 beschlossen wurde und 2021 den Betrieb aufnahm. Sie soll die Landesstraßenbaubehörden ablösen, die Autobahnverwaltung zentralisieren und privatwirtschaftlich führen.
Autobahnbrücken in Hessen: Massive Kritik an der Autobahn-GmbH
Weil aber der Aufbau dieser Firma so lange gedauert hat und mit Rechtsfehlern behaftet war, ist zudem die alte „Deutsche Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH“ (Deges) zuständig. Drittens gibt es noch Reste von Hessen Mobil, die noch als hessische Straßenverkehrsbehörde fungiert. An der Instandhaltung hiesiger Autobahnen sind also mehrere Akteure beteiligt. Deren zentraler Akteur, die Autobahn-GmbH, wird massiv kritisiert.
Die Kritik reicht von überhöhten Gehältern für die Führungskräfte, während beim übrigen Personal eine Lücke von 5 000 Beschäftigten klafft, aus dem Ruder laufenden Beraterverträgen über schlechte Erreichbarkeit für die Öffentlichkeit bis hin zur Nichtbezahlung von Rechnungen über 600 Millionen Euro. Ein Bremer Unternehmer hat im April 2021 damit gedroht, wegen unbeglichener Rechnungen die Wartung und Instandhaltung von Bauwerken in dem Bundesland Ende April einzustellen.
Zu den Autoren
Laura Valentukeviciute arbeitet bei Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) für Erhalt öffentlicher Güter der Daseinsvorsorge.
Herbert Storn arbeitet ebenfalls für GiB. Beide waren 2017 gegen die Autobahnprivatisierung engagiert.
Autobahnbrücken in Deutschland - Wie die Autobahn-GmbH entstanden ist
Die Ablösung staatlicher Kompetenz durch eine zwar in Bundesbesitz befindliche, aber privatwirtschaftlich organisierte Autobahn-GmbH geht auf 2014 zurück. Damals berief Bundeswirtschaftsminister Gabriel (SPD) die „Fratzscher-Kommission“, die 2015 einen „Zehn-Punkte-Plan“ vorlegte, den die Gewerkschaften ablehnten. Dieser sah vor, dass eine Autobahn-GmbH neue Projekte über „Öffentlich-Private-Partnerschaften“ (englisch PPP) finanzieren sollte. Auch für die Bundesunterstützung von Schulsanierungen sollte dies gelten. Dafür wurde PPP als Finanzierungsform eigens ins Grundgesetz aufgenommen.
Dies geschah am 1. Juni 2017, als Bundestag und Bundesrat 13 Grundgesetzänderungen, elf Gesetzesänderungen und vier neuen Gesetze zustimmten – knapp vor Ende der Legislaturperiode des Bundestags. Es sind die Privatisierungsstrategien, die den Staat lahmlegen. Mit PPP wird aber nicht gespart, weil anstatt zinsloser Staatskredite teure PPP-Kredite den Banken und Versicherungen, aber auch den privaten Beraterfirmen, Kanzleien sowie den Baukonzernen zu Extragewinnen und Honoraren verhelfen.
Frankfurt: Mammutprojekt Brückenprojekt und die Lehren
Mit dieser vom Bundesrechnungshof als „funktionale Privatisierung“ bezeichneten Strategie gehen leider auch Entscheidungen von Regierungen in Bund, Land und Kommune an private Träger über. Öffentlich Kontrolle und Rechenschaftspflichten gehen im Privatrecht unter, die ohnehin schon minimale Transparenz wird für Volksvertreter:innen auf Null reduziert.
Wie wenig aus negativen Erfahrungen gelernt wird und wie stark die PPP-Lobby immer noch ist, zeigt die Geschichte eines Mammut-Brückenprojekts in Frankfurt am Main. Die schwarz-grüne Koalition wollte 2010 mit einem PPP-Projekt bis 2042 130 städtische Brücken (38 Prozent der Brücken) und 40 sonstige Ingenieurbauwerke sanieren.
Einsturzgefährdete Brücken in Hessen und Deutschland sind kein Zufall
Dieses Projekt wurde nach zwei Jahren, ausufernden Kostenberechnungen und Kritik vom Revisionsamt bis zu Bürgerinitiativen abgeblasen. Dafür verlangten die beteiligten Firmen sechs Millionen Euro Schadensersatz. Die Stadt zahlte und saniert selbst. Sie hat für ihre Schulbauten ein Amt für Bau und Immobilien geschaffen und mit kommunaler Kompetenz ausgestattet.
Einsturzgefährdete Schulen oder Autobahnbrücken und gesperrte Bahntrassen sind also weder natürlich noch normal und schon gar kein Zufall, sondern Folgeschäden einer verfehlten Finanzierungs- und Privatisierungspolitik, für die es prinzipiell Alternativen gibt! (Laura Valentukeviciute und Herbert Storn)