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Abgerechnet wird zum Schluss

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Die Ampel legt ein erstes Konzept für Bafög vor.
Die Ampel legt ein erstes Konzept für Bafög vor. © Andrea Warnecke/dpa

Die Ampel will das Bafög stärken und legt ein erstes Konzept vor. Die Ansätze sind gut, bleiben aber in einzelnen Punkten zu zögerlich. Der Gastbeitrag von Matthias Anbuhl.

Für das Versprechen von SPD, Grünen und FDP, das Bundesausbildungsförderungsgesetz, kurz Bafög, grundlegend zu reformieren und zu stärken, gab es viel Lob – auch von uns als Deutschem Studentenwerk. Nach vielen Jahren, in denen das Bafög vernachlässigt wurde, erhalten nur noch elf Prozent der Studierenden diese staatliche Studienfinanzierung. Im Gegensatz zu seinen Anfängen vor 50 Jahren, als das Bafög auch die Mittelschicht erreichte, steht es heute praktisch nur noch Geringverdiener/-innen offen.

Dieser bildungs- und gesellschaftspolitische Missstand spricht nicht gegen das Bafög. Ganz im Gegenteil: Es ist noch immer ein großartiges Instrument für Chancengleichheit, und Deutschland kann es sich aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen aber nicht leisten, dass ein Studium am Geldbeutel der Eltern scheitert. Will die Koalition einen Neuanfang beim Bafög, darf es kein Klein-Klein geben. Sie muss daher an drei Hebeln ansetzen.

Erstens: Die Regierung muss deutlich mehr Geld in das Bafög investieren. Die Bedarfssätze müssen steigen, damit die Förderung für Studierende zum Leben reicht – und die Elternfreibeträge müssen massiv erhöht werden, damit endlich wieder mehr Studierende von der Förderung profitieren.

Zweitens: Das Bafög passt oftmals nicht mehr zur Lebenswirklichkeit der Studierenden. Wir brauchen deshalb eine strukturelle Reform, die den vielfältigeren und bunteren Lebensentwürfen gerecht wird. Rund 40 Prozent der Studierenden fallen bereits vor der Einkommensprüfung aus dem BAföG raus, weil sie zu alt sind oder zu lange studieren; die Förderung ist an die Dauer der Regelstudienzeit gekoppelt, in der aber nur gut ein Drittel der Studierenden das Studium abschließen kann.

Drittens: Das Bafög muss einfacher und digitaler werden. Zwei Beispiele: Im Bafög wird noch immer ein Leistungsnachweis nach vier Semestern gefordert – ein Relikt, das noch aus der Zeit vor dem Start des Bologna-Prozesses 1999 und der damit verbundenen Umstellung auf Bachelor und Master stammt. Zweites Beispiel: Die Bafög-Beantragung ist digitalisiert, die dann folgenden Prozesse aber nicht; es gibt keinen E-Bescheid und keine E-Akte. Die Bafög-Ämter müssen die digital eingereichten Anträge erst einmal ausdrucken und eine Papierakte anlegen: Digitalisierung ad absurdum!

Angesichts dieses umfangreichen Reformbedarfs haben wir als Deutsches Studentenwerk vorgeschlagen, in zwei Schritten vorzugehen: erst eine schnelle Gesetzesnovelle mit schnellen Anhebungen, damit den Studierenden nicht weitere Bafög-Nullrunden zugemutet werden müssen, dann in einem zweiten Schritt eine grundlegende Strukturreform. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) will offenbar so vorgehen. Ihr Haus hat als erstes Gesetzesvorhaben des Ministeriums den Entwurf für eine Bafög-Novelle vorgelegt, der vor allem schnelle finanzielle Anpassungen anvisiert und schon zum kommenden Wintersemester greifen soll. In einem zweiten Schritt soll dann das Bafög strukturell reformiert werden.

Die wichtigste Verbesserung: Die Elternfreibeträge sollen auf einen Schlag gleich um 20 Prozent erhöht werden. Das ist ein großer Schritt, der einen Beitrag dazu leisten kann, dass endlich die von den Vorgängerbundesregierungen versprochene Trendwende eintritt und wieder mehr Studierende Bafög bekommen.

Wichtig ist: Das darf kein Einmaleffekt sein; auch in der „zweiten Stufe“ der Bafög-Reform später in dieser Legislaturperiode muss bei den Elternfreibeträgen noch mal nachgelegt werden. Mit der jetzt vorliegenden Bafög-Novelle soll außerdem die Altersgrenze auf 45 Jahre angehoben werden. Das wird bunteren Lebensentwürfen gerecht – gut so!

Die Schwachstelle: Bei den Bedarfssätzen soll es nur ein Plus von fünf Prozent geben. Diese recht mickrige Erhöhung dürfte durch die aktuelle Inflation gleich wieder aufgefressen werden, zumal die Verbraucherpreise insbesondere für Energie und Lebensmittel weiter steigen. Diese Minimalkorrektur ist nicht genug, das Bafög reicht so kaum fürs Leben.

Eine Gesamtbewertung der Bafög-Reform der Bundesregierung muss also die aktuelle Gesetzesnovellierung als ersten und dann die grundlegende Bafög-Reform als zweiten Schritt in den Blick nehmen.

Kurz gefasst: Abgerechnet wird zum Schluss. Erst wenn beides feststeht, kann man fair bewerten, ob die Ampel als starkes Bafög-Bündnis und Bettina Stark-Watzinger als Bafög-Ministerin in die Geschichtsbücher eingehen werden.

Matthias Anbuhl ist Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks.

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