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Früher war mehr Woodstock

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Von: Harry Nutt

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Das Woodstock-Festival prägte die Musikindustrie.
Das Woodstock-Festival prägte die Musikindustrie. © Imago

Woodstock mit seiner Freiheit und Leichtigkeit, das war mal. In der Musikindustrie geht es heute viel mehr um den Schutz des eigenen Werkes vor dem Ausverkauf. Die Kolumne.

Das Gefühl, auf irdische Art göttlich zu sein, feiert in diesen Tagen seinen 49. Geburtstag. Die kanadische Folk- und Jazz-Sängerin Joni Mitchell hat für die Zusammenkunft von ein paar Hunderttausend Menschen in Woodstock im US-Staat New York im Sommer 1969 schöne Worte gefunden. „We are stardust/we are golden/and we got to get ourselves back to the garden.“ Wo immer heute Menschen unter freiem Himmel Musik hören, werden unweigerlich Woodstock-Assoziationen in Erinnerung gerufen. Freiheit, so eine andere pathetische Losung aus dieser Zeit, ist nur ein anderes Wort für den Zustand, nichts zu verlieren zu haben.

Natürlich geht es im Musikgeschäft seit jeher auch darum, etwas zu gewinnen. Unter dem Stichwort Woodstock wird allenfalls die Illusion am Leben gehalten, umsonst und draußen ganz unbeschwert ein paar glückliche Momente erhaschen zu können. Die Musikindustrie hat sich unterdessen rasant entwickelt; vieles von dem, was damals im Studio hervorgebracht wurde, wird erst heute, digital remastered, in Umlauf gebracht. Und so kommt es, dass uns immer noch neues Material von Jimi Hendrix und anderen, nachdem es durch die Wiederaufbereitungsanlagen der Soundtechnik geschickt wurde, zugänglich gemacht wird, als ginge es darum, die Seele des Rock’n’Roll wiederzufinden.

Die Stars unserer Tage sind derweil hinreichend damit beschäftigt, sich gegen den eigenen Ausverkauf zu erwehren. Der Musiker Jack White (von den früheren White Stripes) hat sich diesbezüglich etwas ausgedacht, um gegen die Unsitte vorzugehen, dass nahezu alle Konzertbesucher inzwischen ihre Mobiltelefone in die Höhe recken, um Selfies zu machen und Audio-Files zu erstellen.

Jack White bietet Handy-Beutel an

Selbst wer damit keine kommerziellen Verwertungsinteressen verfolgt, lenkt sich selbst doch gewaltig vom bloßen Konzertgenuss ab. Neil Young hat sich darüber auf seiner Homepage beklagt, und Jack White bietet dagegen seit einiger Zeit Handy-Beutel an, in denen man sein Gerät zwar mitführen darf, aber während des Konzerts nicht benutzen kann. Die Tasche namens Yondr funktioniert so: Wenn man die Halle betritt, steckt man das Smartphone in die Hülle, diese verschließt sich und blockiert auch die Mobilfunkübertragung. Nur an ausgewiesenen Basisstationen außerhalb des Konzertraums ist die Entsperrung der Tasche später möglich.

Zu einer ganz anderen Maßnahme hat unlängst Superstar Ed Sheeran ausgeholt. Um den Schwarzmarkthändlern während seiner Stadiontournee das Wasser abzugraben, hat er ausschließlich personalisierte Eintrittskarten ausgeben lassen. Wer eine solche Karte über Anbieter aus dem Internet erworben hatte, bekam bei der Einlasskontrolle Probleme.

Herein kam nur, wessen Name auch auf seiner Karte aufgedruckt war. Die Ausschaltung von Schwarzmarktgeschäften nutzt gewiss auch den Fans, aber die Registrierung derselben hat noch andere nützliche Aspekte für die Musikschaffenden. Sie wissen genau, mit wem sie es zu tun haben, und können die echten Fans bei der zukünftigen Ausarbeitung ihrer Werbestrategien gezielt begünstigen.

War es etwa das, was Joni Mitchell damals mit der schönen Vorstellung vom Sternenstaub im Sinn hatte? Der registrierte Fan von heute hat inzwischen selbst das Gefühl verloren, nichts zu verlieren zu haben.

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