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Grüne in Frankfurt betreten mit Koalition wieder einmal Neuland

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Von: Georg Leppert

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Philip Krämer, Landesvorsitzender seiner Partei in Hessen, steht bei dem digitalen Parteitag von Bündnis90/Die Grünen im Senderaum. Wegen der Corona-Pandemie verlegten die hessischen Grünen ihre Landesmitgliederversammlung ins Internet.
Philip Krämer, Landesvorsitzender seiner Partei in Hessen, steht bei dem digitalen Parteitag von Bündnis90/Die Grünen im Senderaum. Wegen der Corona-Pandemie verlegten die hessischen Grünen ihre Landesmitgliederversammlung ins Internet. © Andreas Arnold/dpa

Die Frankfurter Grünen möchten eine Ampel mit Volt. Das Votum für diese Koalition ist aber kein Fingerzeig für die Bundestagswahl. Der Leitartikel.

Frankfurt – In Hessen hat man mit politischen Experimenten Erfahrung. 1985 schlossen sich SPD und Grüne in Wiesbaden zur ersten rot-grünen Koalition auf Landesebene zusammen. Einige Jahre später gab es das Bündnis auch im Frankfurter Römer. In die Zeit dieser Koalition fiel etwa die Gründung des Amts für multikulturelle Angelegenheit, das bundesweit Nachahmer fand.

2006 taten sich dann in Frankfurt CDU und Grüne zusammen. Das Bündnis regierte vor allem solide – was zur Zeit der Finanzkrise keine schlechte Politik war. 2013 gründete sich nach diesem Vorbild die bis heute in Hessen regierende schwarz-grüne Koalition.

Nun betritt man in Frankfurt wiederum Neuland. Sollten die Koalitionsgespräche erfolgreich sein, was wahrscheinlich ist, wird Deutschlands fünftgrößte Stadt künftig von einer Ampel-Koalition aus Grünen, SPD und FDP regiert. Als Unterstützung ist sie auf die politischen Neulinge von Volt angewiesen, einer paneuropäisch agierenden Partei, die nach einem beachtenswerten Wahlkampf nun mit vier Leuten im Römer sitzt.

Die Grünen in Frankfurt: Ampelkoalition richtungsweisend für Bundestagswahl?

Die Grünen, als Sieger der Kommunalwahl, entscheiden sich fünf Monate vor der Bundestagswahl für eine Ampelkoalition. Das mag man in einer Zeit, in der sich die Union auf Bundesebene permanent selbst schadet und die Grünen auf Zugewinne hoffen dürfen, als einen kommunalen Fingerzeig in Richtung Berlin werten. Doch so einfach ist es nicht.

Die Frankfurter Grünen haben in erster Linie klargestellt, was sie nicht wollen: ein Linksbündnis. Eine Koalition mit SPD und Linken wird sich wohl nie wieder so sehr anbieten wie jetzt in Frankfurt. Die Mehrheit wäre – unter Beteiligung von Volt – stabil, und inhaltlich passt zwischen die drei Parteien kaum ein Blatt Papier.

Grüne, SPD und Linke wollen die Verkehrswende, sie wollen mehr bezahlbare Wohnungen schaffen, sie wollen mehr für den Klimaschutz tun und wünschen sich mehr soziale Gerechtigkeit. Dennoch bilden die Frankfurter Grünen lieber eine Koalition mit der FDP und sagen, was man halt so sagt, wenn man eine Zusammenarbeit mit der Linken vermeiden möchte. In Fragen des Haushalts sei man zu weit auseinander. Selbst wenn – eine Acht-Prozent-Partei wie die Linke kann Frankfurt finanziell nicht zugrunde richten.

Frankfurter Grüne: Abkehr von der Linken – Ruck Richtung Mitte

Zumindest in Frankfurt ist die Wahrheit: Die Grünen wollen nicht mehr links sein. In der Mitgliederversammlung, die den Entschluss für eine Ampelkoalition traf, war die Rede von einer Partei der Mitte und genau so sah auch die Politik in den vergangenen Jahren aus.

Sicher, man stritt für Klimaschutz und bekämpfte Mahnwachen von Abtreibungsgegnerinnen und -gegnern. Aber mit klassischer linker Politik, wie sie in Frankfurt etwa Jutta Ditfurth mit ihrer Wählervereinigung Ökolinx betreibt, kann zumindest die Parteispitze der Grünen nichts anfangen.

Hinzu kommt eine Scheu vor Konflikten, die teils zu absurden Ergebnissen führte: So wurde der Mainkai in Frankfurt wieder für den Autoverkehr geöffnet, obwohl eine Mehrheit im Stadtparlament und in der Bevölkerung dagegen war. Die Grünen aber stimmten für die Öffnung, aus Angst, den damaligen Koalitionspartner CDU zu verärgern.

Grüne in Frankfurt: Von ihren Wurzeln abgekommen?

Nun ist es an sich nicht verwerflich, wenn sich eine Partei 40 Jahre nach ihrer Gründung von ihren Wurzeln entfernt. Doch die Grünen stehen noch vor einem anderen Problem. Sie haben das Gespür für ihre Basis verloren. Und das ist zumindest auf kommunaler Ebene ein nicht zu unterschätzendes Problem. Denn über das Ergebnis von Sondierungsgesprächen und Koalitionsverträgen befinden die Mitglieder. Alle Mitglieder.

Die zuletzt immer größer gewordene Basis der Frankfurter Grünen traf vor der Kommunalwahl einige Entscheidungen, die den Vorstand zumindest verwunderten. So strich sie das Baugebiet Günthersburghöfe aus dem Wahlprogramm, obwohl es die Grünen einige Jahre zuvor selbst vorangetrieben hatten. Und als es darum ging, die Liste der Kandidatinnen und Kandidaten aufzustellen, landeten Stadtverordnete mit langer Vergangenheit im schwarz-grünen Bündnis auf hinteren Plätzen.

Frankfurt: Koalition mit CDU bei Grünen-Basis unbeliebt

Die Gruppe, die nun über eine neue Koalition sondiert hat, zog daraus den korrekten Schluss, dass die Basis keine Zusammenarbeit mit der CDU mehr möchte. Deshalb wurde ein rechnerisch mögliches Bündnis mit CDU und FDP zwar geprüft – mehr aber auch nicht. Die Angst, dass ein solcher Vorschlag bei den Mitgliedern durchfallen würde, war zu groß.

Wenn aber die Basis nicht mehr mit der CDU koalieren möchte und die Parteispitze ein Linksbündnis um jeden Preis verweigert, dann ist nicht mehr viel möglich. Insofern ist das angestrebte Bündnis vor allem das Ergebnis des Ausschlusses der anderen Optionen. Die Politik in Frankfurt muss darunter nicht leiden. In entscheidenden Punkten wie der Verkehrspolitik ist die FDP weniger starrsinnig als viele glauben. Ein Aufbruch geht von der Entscheidung im Römer aber gewiss nicht aus. (Georg Leppert)

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