Die Ampel muss jetzt liefern: Wissings Politik hat nichts mit Fortschritt zu tun

Der Aufruf des Kanzlers zur Zeitenwende nach dem russischen Überfall auf die Ukraine darf sich nicht nur auf die Verteidigungspolitik beschränken. Der Leitartikel.
Die Ampelkoalition ist gerade dabei, beim Klimaschutz ihr Fortschritts-Mantra der Lächerlichkeit preiszugeben. Dabei braucht das Land gerade in diesen Krisenzeiten eine ernstzunehmende Regierung, die vorangeht und die Menschen dabei mitnimmt. Optimistisch und mit dem Vertrauen in die Kraft der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt. Was keiner braucht: Das elende Hickhack von SPD, Grünen und FDP um den Kurs, wie Deutschland klimaneutral werden kann. Gespickt mit parteipolitischer Verbohrtheit, Angst vor den nächsten Wahlen und Kurzsichtigkeit einzelner Koalitionsmitglieder.
Der Aufruf des Kanzlers zur Zeitenwende nach dem fürchterlichen russischen Überfall auf die Ukraine darf sich eben nicht nur auf die Verteidigungspolitik beschränken. Mut, Entschlossenheit und viel Geld ist im Kampf gegen den Klimawandel genauso nötig. Wer, wenn nicht Deutschland kann ökonomisch etwas wagen.
Ampel steht vor Herausforderungen
Es ist richtig, ohne Frieden ist alles nichts. Aber die jetzt junge Generation kann später nicht in Frieden leben – überhaupt nicht leben – wenn es auf der Erde zu heiß wird. Der Weltklimarat kann nicht mehr machen, als vor der Apokalypse zu warnen und die Politik um die – noch – mögliche Eindämmung der Erderhitzung anzubetteln.
Zur Fairness gehört die Anerkennung, dass die Ampel, die im Bund zuvor noch nie regiert hat, vor unvergleichlich hohen Herausforderungen steht. Kremlchef und Kriegsverbrecher Wladimir Putin erschüttert Europa und die nötige Gegenwehr bedeutet, dass auch die schönen Ampel-Pläne für Wohlstandsicherung trotz – oder sogar durch – Klimaschutz sehr viel schwerer umgesetzt werden können.
FDP muss sich überlegen, ob sie sich von Kubicki vertreten lassen will
Aber das bedeutet nicht, dass man sich daneben benehmen oder mit ständig neuen Ideen für Verunsicherung sorgen darf. Denn dadurch wird das Klima in der Koalition und die Stimmung im Land vergiftet. Die FDP sollte darüber nachdenken, ob sie von einem Bundestagsvizepräsidenten vertreten sein will, der den Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck allen Ernstes mit Putin vergleicht. Auch der 71-jährige Wolfgang Kubicki dürfte wissen, dass in der digitalen Welt jede miese Äußerung auf einem noch so unbekannten Kanal bekannt wird.
Derartig dummes Zeug wie, Putin und Habeck teilten ähnliche Ansichten über die Bevormundung von Menschen, sind Kubickis hohen Amtes nicht würdig. Seine Entschuldigung schützt ihn erfahrungsgemäß nicht vor der nächsten Entgleisung. Habeck wiederum beschwert sich medienwirksam, dass unausgereifte Pläne zum Heizungsaustausch vorab an ein Medium gelangt sind. Aber erst die erschrockenen Reaktionen von Hausbesitzer:innen führen zum Umdenken. Die Ampel hat den Einbau von Wärmepumpen von Anfang an oft losgelöst von einer in vielen Fällen damit einhergehenden nötigen kostspieligen Komplettsanierung des Hauses kommuniziert. Es nützt die beste Pumpe nichts, wenn die Wärme durch ungedämmte Wände und Dächer nach draußen geblasen wird.
Wissings Verweise sind Rückschritte
Warum wurde nicht gleich versichert, dass der Staat zwar Vorschriften machen, die vielen Betroffenen aber finanziell unterstützen wird? So wie Milliarden Euro für Munition und Militärgerät für die Ukraine zum Überleben ausgegeben werden. Habeck hat wiederum recht, wenn er den schlechten Zustand der Koalition beklagt. Es ist auch peinlich, dass ausgerechnet Deutschland auf EU-Ebene zum Bremsklotz für das Aus von Verbrennermotoren geworden ist, indem es überraschend auf eine Regelung für energiepolitisch durchaus fragwürdige synthetische Kraftstoffe pocht. Formal ist FDP-Verkehrsminister Volker Wissing mit seinem Verweis auf das Kleingedruckte im Recht. Aber das hat nichts mit großem Fortschritt zu tun. Das ist Rückschritt. Und das schreit wiederum auch nach Zeitenwende. Dafür muss Olaf Scholz selbst mehr tun.