Ministerium will Flugzeuge für Kernwaffen kaufen: Das ist moralisch und rechtlich fragwürdig

Ein Verzicht auf das Kampfflugzeug F18 würde den Weg frei machen für eine Debatte über Sinn und Zweck der Kernwaffen in Deutschland.
Die Flotte der deutschen Tornado-Kampfflugzeuge ist in die Jahre gekommen und wird in naher Zukunft ausgemustert. Ein Teil dieser Flugzeuge erfüllt derzeit Aufgaben in der sogenannten nuklearen Teilhabe. Dabei können im Kriegsfall deutsche Pilotinnen und Piloten US-Kernwaffen einsetzen. Im Rahmen einer größeren Neubeschaffung plant das Verteidigungsministerium den Kauf von 30 Flugzeugen des Typs F18 E/F „Super Hornet“ des amerikanischen Herstellers Boeing für eben diesen Einsatz.
Eine neue Debatte: Flugzeuge für Kernwaffen?
Nach jüngsten Berichten hat Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer diesen Kauf gegenüber ihrem amerikanischen Amtskollegen Mark Esper angekündigt, scheinbar ohne den Koalitionspartner SPD entsprechend zu informieren. Der Kauf neuer Flugzeuge ist aus mindestens drei Gründen – technisch, rechtlich und moralisch – fragwürdig.
Technisch hat der Flugzeugtyp F18 E/F die Marktreife bereits in den 90er Jahren erreicht. Einziger Einsatzzweck der Flugzeuge in Deutschland soll es sein, im Ernstfall US-amerikanische Kernwaffen von deutschen Stützpunkten auf feindliche Ziele abzuwerfen. Für alle anderen derzeitigen Aufgaben der Tornados sind andere Flugzeugtypen geplant. Unabhängig von der Frage, ob ein Einsatz militärisch sinnvoll oder moralisch vertretbar wäre: Bei Einsatzreichweiten von rund 2000 Kilometern gibt es nicht viele Ziele, die außerhalb von EU-Territorium liegen.
Flugzeuge für US-Kernwaffen in Deutschland?
Es ist noch unklar, ob die geplanten Flugzeuge überhaupt als Trägersysteme infrage kommen. Denn bisher fehlt ihnen die entsprechende Zertifizierung durch US-Behörden. In den amerikanischen Planungen zur Modernisierung der Kernwaffen selbst werden fünf Flugzeugtypen als mögliche Trägersysteme genannt. Die F18 ist nicht dabei. Der Hersteller Boeing verspricht zwar, sich um die Zertifizierung zu bemühen. Im Falle eines Misserfolges hätte Deutschland geschätzt 1,3 bis 1,9 Milliarden Euro für 30 Flugzeuge ohne Verwendungszweck ausgegeben.

Auch die rechtliche Lage ist keineswegs eindeutig. Schon 2010 hat der Bundestag beschlossen, dass ein Abzug der amerikanischen Kernwaffen von deutschem Boden erwirkt werden soll. Die Bundesregierung setzt sich auch offiziell für eine kernwaffenfreie Welt ein. Deutschland ist Mitglied des nuklearen Nichtverbreitungsvertrages, der Deutschland den Besitz von Kernwaffen verbietet. Auch wenn die amerikanischen Kernwaffen nicht in deutschem Besitz sind – jeder Einsatz wäre ein Verstoß gegen den Vertrag. Die Modernisierung von Trägersystemen stärkt die Rolle von Kernwaffen, entgegen internationaler Vereinbarungen, das Gegenteil zu tun.
Debatte in der Corona-Krise: Investitionen in Flugzeuge für Kernwaffen
Moralisch gilt: Vor einem Monat hat UN-Generalsekretär António Guterres in der Corona-Krise zu einem globalen Waffenstillstand aufgerufen. Insbesondere in Krisenzeiten muss die Notwendigkeit von Militärausgaben besonders sorgfältig geprüft werden. Jede einzelne F18 kostet etwa so viel wie 2000 bis 3000 intensiv-medizinische Beatmungsgeräte, die weltweit dringend zum Schutz von Leben benötigt werden. Statt deutsche Steuerzahlerinnen und -zahler den potenziellen Einsatz von Massenvernichtungswaffen finanzieren zu lassen, sollten diese Mittel die internationale Gemeinschaft in der Krisenbewältigung unterstützen.
Welche Folgen hätte ein Verzicht auf den Kauf der Flugzeuge? Ohne alternative Trägersysteme würde sich Deutschland langfristig aus der nuklearen Teilhabe verabschieden. In der Regierungskoalition gilt jedoch die Fortsetzung der nuklearen Teilhabe als gesetzt.
Debatte über Kernwaffen in Deutschland
Die derzeitige Corona-Krise zeigt uns die Grenzen menschlichen Handelns auf und hat gravierende Auswirkungen auf unser globales Zusammenleben. Nach der Krise wird vieles anders sein, als es vorher gewesen ist. Statt jetzt über den Erhalt eines Waffensystems für die nächsten Jahrzehnte zu entscheiden, sollte vielmehr folgende Frage gestellt werden: Sind Kernwaffen nach der Corona-Krise noch systemrelevant?
Ein Verzicht auf die F18 würde den Weg frei machen für eine ernsthafte Debatte über Sinn und Zweck der Kernwaffen in Deutschland. Das politisch ausgegebene Ziel weltweiter nuklearer Abrüstung könnte ernsthaft verfolgt werden.
Unser Nachbarland Österreich hat mit 122 anderen Staaten einen Vertrag zum Verbot von Kernwaffen ausgehandelt, der bald in Kraft treten wird. Auch wenn sich Deutschland hier bisher nicht eingebracht hat – eine Abkehr von der Politik der nuklearen Teilhabe würde ein Signal senden, dass die Bundesregierung es ernst meint mit ihren Bestrebungen zu nuklearer Abrüstung.
Moritz Kütt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Uni Hamburg (ISFH) und arbeitet an technischen Verfahren zur Verifikation atomarer Abrüstung.