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Ernährung im Einklang mit Natur und Umwelt

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Die Landwirtschaft muss ein Schwerpunkt des globalen Ressourcenmanagements sein, fordert unser Gastautor.
Die Landwirtschaft muss ein Schwerpunkt des globalen Ressourcenmanagements sein, fordert unser Gastautor. © Julian Stratenschulte

Die Landwirtschaft zerstört Ressourcen, die für künftige Generationen essenziell sind. Doch das können wir verhindern: mit einem anderen, neuen „Bio“. Ein Gastbeitrag von Michael Braungart vom Hamburger Umnweltinstitut.

Keine menschliche Aktivität hat einen so tiefgreifenden Einfluss auf die natürlichen Ressourcen der Welt und das Wohlergehen der Menschen wie die Landwirtschaft. Mehr als die Hälfte der nutzbaren, eisfreien Erdoberfläche wird von landwirtschaftlichen Aktivitäten geformt. Die konventionelle und auch – in geringerem Maße – die biologische Landwirtschaft zerstören jedoch Ressourcen, die für die Ernährung zukünftiger Generationen essenziell sind. Diese anhaltende massive Umweltzerstörung kann verhindert werden, wir können ihr sogar entgegenwirken.

Die bestehende, zertifizierte biologische Landwirtschaft verursacht weniger negative Auswirkungen auf die Umwelt als die konventionelle Landwirtschaft. Sie ist jedoch nicht in der Lage, langfristige Produktivität und einen positiven, aufbauenden Einfluss auf die Umwelt zu garantieren. Kein Bio-Siegel erreicht es, Nährstoffkreisläufe zu schließen und menschliche Stoffwechselprodukte in geeigneter Form für die Landwirtschaft zurückzugewinnen.

Nach dem Grundprinzip des Cradle-to-Cradle-Konzepts reicht es nicht aus, weniger schlecht zu sein, stattdessen gilt es, einen positiven Fußabdruck zu hinterlassen. Deswegen ist es notwendig, ein neues Konzept der biologischen Landwirtschaft einzuführen, das tatsächlich gut für Mensch und Umwelt ist: Ein neues Bio. Es müssen positive und erreichbare Ziele beschrieben werden, um eine Landwirtschaft mit einem tatsächlich positiven ökologischen Fußabdruck zu verwirklichen. Die durch den Menschen verursachte Veränderung von Landschaften muss nicht zwangsläufig einen negativen Effekt hervorrufen, sondern kann auch positiv gestaltet werden. Dafür sind unter anderem folgende Maßnahmen notwendig:

Phosphor ist ein essenzieller Nährstoff für das Pflanzenwachstum und die menschliche Ernährung, der aus Abwässern und Abfällen zurückgewonnen und in die Landwirtschaft zurückgeführt werden muss. Nur so kann die endliche Ressource die Ernährung der zukünftigen Generationen garantieren. Der Einsatz von mineralischen Düngern sowie von Torf und Guano sollte für eine echte biologische Landwirtschaft verboten und stattdessen durch Nährstoffe aus erneuerbaren Ressourcen ersetzt werden. Die Biosphäre wird durch den Einsatz von Kupfer kontaminiert, zudem wird so die Biodiversität verringert. Stattdessen sollten alternative Maßnahmen zum Pflanzenschutz gefördert oder resistentere Sorten angebaut werden.

Um die Artenvielfalt zu erhalten und zu erhöhen, müssen ökologische Habitate und effektive Schutzmaßnahmen geschaffen werden. Hierfür sind unter anderem gezielte Maßnahmen zum Bodenaufbau und zur Minimierung der Bodenbearbeitung notwendig. Die Abtragung des fruchtbaren Bodens muss durch die Integration schützender Landschaftsstrukturen verhindert werden. Darüber hinaus ist ein aktiver Grundwasser- und Gewässerschutz unabdingbar. Die Vorteile von effektiven und progressiven Anbausystemen müssen nun endlich flächendeckend genutzt werden.

In einer Landwirtschaft, die einen positiven Fußabdruck hinterlässt, dürfen keine Futtermittel importiert werden. Grundsätzlich sollte Tierhaltung, aus ökologischen, sozialen sowie aus ökonomischen Gründen, auf ein Minimum reduziert werden.

Ein neues Bio setzt für die Verarbeitung, Lagerung und Anbausysteme zu 100 Prozent erneuerbare Energien ein. Bei Verpackungs- und Anbaumaterialien darf kein Müll entstehen, die verwendeten Stoffe müssen wiederverwendbar oder biologisch abbaubar sein. Zudem müssen faire Löhne, angemessene Unterkünfte und kulturelles sowie soziales Engagement einbezogen werden.

Aufgrund der starken Einflüsse auf Ökosysteme weltweit muss die Landwirtschaft ein Schwerpunkt des globalen Ressourcenmanagements sein. Angepasste effektive Formen der Landwirtschaft und Landschaftsgestaltung sowie die Nutzung erneuerbarer, ökologischer Ressourcen können regenerative, aufbauende Umwelteffekte auslösen. Durch ökonomische Anreize, Verordnungen und Förderungen können diese Ziele erreicht werden. Technische Innovationen sowie neue ökonomische Strategien müssen genutzt werden, um den Erfolg des Neuen Bios zu sichern.

Eine großflächige, produktive Landwirtschaft mit positivem Fußabdruck kann die globale gesellschaftliche und ökologische Situation drastisch verbessern. Die Formulierung der Ziele soll eine neu angepasste Politik inspirieren und zu neuen Strategien innerhalb bestehender Organisationen und Initiativen auf lokaler und globaler Ebene motivieren.

Michael Braungart ist Gründer und wissenschaftlicher Leiter des Hamburger Umweltinstituts (HUI). Er lehrt an der Leuphana Universität in Lüneburg.

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