Entpört euch!
Alan Posener geißelt die „empörte Republik“.
Der Journalist Alan Posener hatte sich vor ein paar Jahren etwas Herrliches einfallen lassen. Er filmte sich in seinem Büro dabei, wie er dummes Zeug aus der Presse vorlas, sei es von Thilo Sarrazin oder Papst Benedikt XVI., und sich über deren Unfug empörte. Dazu haute er immer auf einen Buzzer, aus dem es tönte: Bullshit detected, take precautions, Schwachsinn erkannt, treffen Sie Vorsichtsmaßnahmen!
In seinem neuen Büchlein geißelt Posener die „empörte Republik“, zu der sich Deutschland gewandelt habe. Schuld daran sei Stéphane Hessel. Der habe mit seinem Bändchen „Empört Euch!“ suggeriert, dass man der Presse nicht trauen könne und linke Politik parlamentarisch nicht durchsetzbar sei. Doch nicht nur Hessel ist für Posener eine querulantische Krawallschachtel. Genauso hätten Thilo Sarrazin und der verstorbene „FAZ“-Herausgeber Frank Schirrmacher das Genre des alarmistischen Untergangskrachers bedient. Sarrazin beließ es eben nicht bei berechtigter Kritik an der missratenen Integrationspolitik oder Schirrmacher bei Sorgen um den demografischen Wandel. Nein, sie postulierten die Abschaffung Deutschlands oder das „Methusalem-Komplott“.
Den Gipfel der publizistischen Unverschämtheit hat für Posener jedoch Udo Ulfkotte erklommen, von dem schon ein Buchtitel für sich spricht: „Der Krieg in unseren Städten. Wie radikale Islamisten Deutschland unterwandern“.
Als das eigentliche Problem erkennt Posener zu Recht, dass linke wie rechte Vereinfacher als Anhänger absoluter Wahrheiten absoluten Gehorsam verlangen. Er erklärt dies mit einer Theorie des Religionssoziologen Rodney Stark. Danach treten die meisten Menschen einer Religion – oder eben auch einer politischen Sekte – bei, weil sie Nestwärme, Wir-Gefühl und geistige Führung suchen.
Kein Thema ist für Posener, warum sie all das nicht in der Gesellschaft finden. Das liegt auch daran, dass er nicht zwischen den Beschreibungsebenen trennt. Geht es um Rhetorik, um publizistisches Versagen? Das setzte zumindest voraus, dass die Mehrheit der Wahrheitsabsolutisten viel Zeitung liest. Oder meint er die gesellschaftliche Realität? Dann jedoch hätte er sich genauer mit den sozialen Bedingungen befassen müssen.
Wie dem auch sei, sicher hat er mit seiner Schlussfolgerung recht: „Entpört euch. (…) Der Widerstand der Wutbürger schafft nichts Neues. Er ist rein destruktiv.“ Und nicht gut für die Demokratie.