Demokratie geht ohne Tricks

Der Vorschlag von Norbert Lammert, die Regeln für den Bundestagsalterspräsidenten zu ändern, hat manches für sich. Aber er liefert der AfD Munition für ihren Populismus. Ein Kommentar.
Die Vorstellung, die konstituierende Sitzung des nächsten Bundestags könnte von einem Alterspräsidenten aus der AfD geleitet werden, ist kaum erträglich. Genau dies droht im Herbst: Sollte der AfD-Politiker Wilhelm von Gottberg in den Bundestag einziehen, wäre er mit seinen 77 Jahren voraussichtlich der älteste Parlamentarier und würde gemäß der bisherigen Geschäftsordnung des Bundestags automatisch zum Alterspräsidenten.
Nun hat Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) vorgeschlagen, künftig nicht mehr das älteste, sondern das an Parlamentsjahren erfahrenste Mitglied des Bundestags zum Alterspräsidenten zu ernennen. Die Begründung, das wichtigste deutsche Parlament dürfe einem betagten, aber politisch unerfahrenen Neuling keine herausragende Stellung zumessen, leuchtet ein.
Die AfD würde sich als Opfer darstellen
Und doch wäre es falsch, nun noch schnell die Geschäftsordnung zu ändern, um Herrn von Gottberg zu verhindern. Denn zum einen würde sich die AfD ein weiteres Mal als wahre Volksvertretung gerieren, die vom „System“ mundtot gemacht wird. Vor allem aber: Demokraten müssen der Versuchung widerstehen, mitten im Wettkampf die Spielregeln zu ändern, nur weil ein ihnen unliebsames Ergebnis droht. Demokraten sollten es ertragen können, wenn Herr von Gottberg einmal in vier Jahren als Alterspräsident eine konstituierende Sitzung leitet. Der Bundestag kann das sicher.