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Menschlichkeit in Zeiten von Corona: Verantwortung übernehmen – gerade jetzt

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Von: Anetta Kahane

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Coronavirus - Seenotrettung im Mittelmeer - Flüchtlinge
Coronavirus: Jetzt heißt es Verantwortung übernehmen, besonders im Umgang mit Flüchtlingen. © picture alliance/Petros Giannakouris/AP/dpa

Im Judentum steht das Leben über allen Geboten. Es braucht nicht viel, um Verantwortung zu übernehmen – gerade jetzt. Die Kolumne.

Corona-Zeit ist die Zeit für Menschlichkeit. Gerade in anstrengenden und gefährlichen Situationen für die Gesellschaft ist Menschlichkeit das, was sie davor bewahrt, in Barbarei abzugleiten. Dass die Welt stillsteht, um das Leben von Menschen zu retten, ist ein gutes Zeichen für die Menschheit. Es könnte ja auch ganz anders sein und der Schutz von Schwachen gar nicht zählen. Das Leben aller ist wichtiger, egal wer sie sind. Wohnungslose, Flüchtlinge, Menschen mit Behinderungen, alte Menschen, Frauen in Not – alle sollten in dieser Menschlichkeit eingeschlossen sein, sonst ist sie keine.

Menschlichkeit in der Corona-Krise: „Wenn ein Mensch stirbt, stirbt eine ganze Welt“

In der Tradition des Judentums steht das Leben über allen Geboten. Wenn es um ein Menschenleben geht, ist alles andere nebensächlich. Selbst die Religion. „Wenn ein Mensch stirbt, stirbt eine ganze Welt“- heißt es, denn jedes einzelne Individuum ist einzigartig in seinen Erfahrungen, Gedanken, Gefühlen und Erinnerungen. Jeder Mensch ist eine ganze Welt und darum unverzichtbar.

Um diese Ethik wirklich in der Realität zu leben, braucht es, was die Juden einen „wahren Menschen“ nennen. Ein wahrer Mensch ist im Judentum jemand, der oder die gerecht handelt, anderen Menschen sozial, warmherzig und zugewandt hilft. In Zeiten von Corona wird von allen viel erwartet. Auf Abstand bleiben und dabei ein Mensch sein. Das eigene Verhalten, die eigene Verantwortung wahrzunehmen als etwas, das man selbstverständlich tut – für andere und für sich selbst.

In der Corona-Krise zeigt sich: Wer bleibt menschlich und wer nicht?

Wenn die Situation schwieriger wird, die Leute ungeduldiger, die Anspannungen und Beschuldigungen größer, wird sich zeigen, ob jemand menschlich bleibt und auch über den eigenen Schatten springen kann. Rassismus ist so ein Schatten und er zeigt sich leider auch in diesen Tagen. In Zeiten von Corona verschwindet er nicht einfach. Deshalb ist es anständig und eben menschlich, nicht nur die eigenen Interessen zu sehen oder die der eigenen Gruppe, sondern auch die Not derer wahrzunehmen, die es besonders schwer haben.

In den Unterkünften von Geflüchteten leben Menschen auf engem Raum, die sich fürchten. Sie fürchten sich vor der Krankheit, aber auch davor, dass ihre Angehörigen außerhalb Deutschlands leiden. Sie fürchten sich vor Krieg, vor Abschiebung und vor einer hasserfüllten Atmosphäre, die ihnen auch hier begegnet. An sie zu denken, sie zu unterstützen, gerade jetzt, bedeutet, ein wahrer Mensch zu sein.

Bedingungen in Flüchtlingslagern während der Corona-Krise unzumutbar

In Krisen brechen Vorurteile oft wieder auf, die man überwunden geglaubt hat. Deshalb ist es umso wichtiger, die eigenen Beschränkungen zu überwinden und sich zu kümmern. Ausgegrenzte in der Gesellschaft fühlen sich in einer solchen Krise ohnmächtig, isoliert und ausgeliefert. Das muss aber nicht so sein.

Dennoch leben im Flüchtlingscamp auf Lesbos etwa 20.000 Menschen. Niemandem sind solche Bedingungen zuzumuten. Schon gar nicht den Kindern. Es ist unbegreiflich, dass diese sehr überschaubare Anzahl von Menschen in der Krise nicht anständig untergebracht wird. Es ist beschämend, dass die unbegleiteten Kinder nicht endlich von dort weggeholt werden. Es ist verantwortungslos, dass die Camps abgeriegelt werden, statt Quarantäne anzubieten, wenn jetzt das Virus auch dahin kommt. Dafür kann und muss es eine Lösung geben. Es braucht nicht viel, um ein wahrer Mensch zu sein und Verantwortung zu übernehmen. Für alle.

Die Lage auf den griechischen Inseln spitzt sich in der Corona-Krise für die Menschen in Flüchtlingslagern immer mehr zu. Eine CDU-Politikerin plädiert für schnelles Handeln.

Die aus Myanmar geflohenen Rohingya in Bangladesch genießen so gut wie keinen Schutz vor dem Coronavirus. Wenn nicht bald etwas geschieht, wird das furchtbare Folgen haben.

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