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Homeoffice und Corona: Der Quatsch soll nach der Krise ein Ende haben

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Von: Michael Herl

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Home-Office in der Corona-Krise: Wie armselig ist es denn, wenn Menschen zu Hause an ihren Tischen kauern und wie paralysiert in Maschinen glotzen?
Home-Office in der Corona-Krise: Wie armselig ist es denn, wenn Menschen zu Hause an ihren Tischen kauern und wie paralysiert in Maschinen glotzen? © picture alliance/Sebastian Gollnow/dpa

Wenn die Corona-Krise vorbei ist, reicht es auch mit Essen bestellen, Videokonferenzen und dem affigen Digitalgehabe. Unsere Kolumne aus der sozialen Isolation.

Eigentlich sehe ich ja ein, dass der Kampf gegen das Coronavirus besondere Maßnahmen erfordert. Allerdings brauchte ich ein Weilchen, Anordnungen zu folgen, die meine persönliche Freiheit beschränken oder meinen ethisch-moralischen Ansprüchen widersprechen.

Corona: Wer nach der Krise noch von „Social Distancing“ spricht, droht Böses

Mir wurde offenbar ein Reflex in die Wiege gelegt, im Zweifelsfällen eher Nein zu sagen. Das war nicht immer einfach. So flog ich wegen angeblicher Trotzigkeit aus dem Kindergarten (dabei war das Essen tatsächlich nicht genießbar), später weigerte sich der Pfarrer, mich zu konfirmieren („Herl, du bist geistesgestört“), und an der Schule entsprach die Versetzungsordnung häufig nicht meinem Leistungsportfolio. Dabei scheiterte es meist nicht an überbordender Dummheit, sondern schlicht an der Fähigkeit, etwas zu tun, dem ich keinen Sinn abgewinnen konnte.

Nun sehe ich einen solchen und ergebe mich murrend dem meisten, was von mir verlangt wird. Aber ich weiß genau, was ich tun werde, wenn der Spuk vorbei ist: Als Erstes jeden vermöbeln, der den Begriff „Social Distancing“ in den Mund nimmt. Das würde ich jetzt schon tun, aber ich muss ja Abstand halten.

Essen „To Go“ in der Corona-Krise: Das verstößt doch gegen die Menschenwürde!

Überhaupt werde ich grundsätzlich das vermeiden, was vor der Coronavirus-Zeit nur Angeber und Renommisten taten. Zum Beispiel das, was sie „To Go“ nennen. Das bedeutet nichts anderes, als am Fenster eines Restaurant kauern, dann Essen in Aluschalen geklatscht kriegen, es wie nach dem Hofgang in San Quentin in die Zelle tragen und dann auf einem Strohbett sitzend mit einem alten Blechlöffel in sich hineinschaufeln. Das verstößt doch gegen die Menschenwürde!

Noch weniger möchte ich, dass mein Mahl von sklavisch entlohnten Tagelöhnern durch die halbe Stadt gestrampelt wird und dann als halbkalte Matsche bei mir ankommt. Nicht mal ein Trinkgeld könnte ich denen geben, denn ich müsste ja online zahlen. Wie? Einen Tip könnte man da auch hinterlassen, und der käme dann auch bei denen an? Vielen Dank, aber ich glaube ja auch nicht an Gott.

Homeoffice während Corona: Ist es das, was man technische Errungenschaft nennt?

Auch möchte ich nicht weiterhin an Videokonferenzen teilnehmen müssen. Das mag sinnvoll sein, um die Vielfliegerei zu verringern. Es ersetzt aber nicht ein sinnliches Miteinander. Wie armselig ist es denn, wenn sechs Menschen zu Hause an ihren Küchentischen kauern und wie paralysiert in Maschinen glotzen, in denen alle anderen Hospitalisierten in winzigen Fensterchen in einer Tonqualität miteinander reden, als säßen sie in einem Aquarium? Ist es das, was man technische Errungenschaft nennt?

Immer, wenn ich das höre, muss ich daran denken, wie ich als Knirps live den Worten Neil Armstrongs vom Mond lauschte. Das klang so ähnlich, nur dass Armstrong besser zu verstehen war. Okay, vielleicht hatte ich auch weniger Haare in den Ohren. Jedenfalls erinnert mich das ganze angeberische Getue frappierend an die neuzeitlichen Höhlenmalereien, die man in Wichtigtuerkreisen „Emojis“ nennt.

Corona-Krise und Homeoffice: Der Quatsch soll ein Ende haben

Das alles und noch viel mehr möchte ich nicht. Aber was ich dann möchte? Ganz einfach. Ich möchte, dass nach dem ganzen Quatsch möglichst wenig von dem affigen Digitalgehabe hängen bleibt und wir womöglich sogar zu einem normaleren Umgang finden, als wir ihn vor der Corona-Krise pflegten. Ein frommer Wunsch? Egal. Ich möchte das dennoch.

Von Michael Herl

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Weil weltweit das Coronavirus wütet, zeigt sich Deutschland flexibel. Viele Menschen arbeiten im Homeoffice. Doch wer zahlt, wenn der eigene PC kaputt geht?

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