1. Startseite
  2. Meinung

China im Ukraine-Krieg: Weltmacht zwischen den Stühlen

Erstellt: Aktualisiert:

Kommentare

Der chinesische Präsident Xi Jinping (r) und der russische Präsident Wladimir Putin.
Der chinesische Präsident Xi Jinping (r) und der russische Präsident Wladimir Putin. © Alexei Druzhinin/dpa

China hat sich noch nicht eindeutig positioniert. Das muss kein Zeichen für eine Konfrontation sein. Ein Gastbeitrag von Pascal Abb.

Russlands Angriff auf die Ukraine hat das Land international weitgehend isoliert: nicht nur der westliche Staatenblock hat dieses Vorgehen als klaren Bruch internationaler Normen benannt und sanktioniert, auch zahlreiche andere Staaten haben sich dieser Politik angeschlossen – quer über kulturelle und systemische Grenzen hinweg. Die gewichtigste Ausnahme ist bislang China, das sich bei Abstimmungen im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) enthalten und es auch rhetorisch bei vagen Aufrufen zur Zurückhaltung an alle Seiten belassen hat.

Diese Politik ist einerseits klar durch realpolitische Interessen begründet. Der Krieg in der Ukraine wird in China, wie viele andere Themen auch, vor allem durch die Linse des eigenen Konflikts mit den USA interpretiert. In dieser Situation ist Russland ein naheliegender und mächtiger Partner und eine Isolation des Landes nicht im eigenen Sinne.

Nur wenige Wochen vor Kriegsausbruch hatten beide Seiten ein gemeinsames Statement zu Leitprinzipien der internationalen Beziehungen veröffentlicht und damit ihre bilaterale Partnerschaft weiter zementiert. Das russische Narrativ, dass die Krise letztlich auf die Osterweiterung der Nato zurückzuführen sei, stößt in China ebenfalls auf breite Sympathie. Auch hier fühlt man sich militärisch eingehegt durch sicherheitspolitische Initiativen der USA, die sich in den letzten Jahren verstärkt auf den Indopazifik konzentrierten.

Auf der anderen Seite verstößt die russische Invasion eindeutig gegen Prinzipien, die auch und gerade von China immer wieder betont werden. Das gemeinsame Statement mit Russland beinhaltete etwa ein eindeutiges Bekenntnis zu Souveränität und territorialer Unverletzbarkeit,

Der chinesische Außenminister Wang Yi bekräftigte zuletzt, dass diese Leitnormen auch die eigene Ukraine-Politik prägen. Kritische Nachfragen, wie demzufolge das russische Vorgehen zu bewerten sei, werden allerdings entweder abgeblockt oder mit Verweisen auf US-amerikanischen Normverstöße beantwortet.

Ein solches Verhalten ist für Chinas Umgang mit internationalen und innerstaatlichen Konflikten insgesamt charakteristisch. Trotz seines enorm angewachsenen geopolitischen Gewichts – und zuletzt auch eigenen Statusbewusstseins – vermeidet Peking es meist, sich in Krisen klar zu positionieren. Stattdessen wird versucht, den Kontakt mit allen Konfliktparteien zu halten und sie jeweils zur Wahrung chinesischer Interessen zu verpflichten.

Auf wirtschaftlicher Ebene ist dies überwiegend der Schutz eigener Auslandsinvestitionen, auf politischer Ebene ergibt sich dadurch wiederum das Hauptziel der Stabilität – wie und von wem diese durchgesetzt wird, ist hingegen zweitrangig. Bereits in Afghanistan oder Myanmar behielt China auch nach kompletten Regimewechseln und trotz massiver Menschenrechtsverstöße derabb neuen Machthaber den eigenen Kurs weitestgehend bei.

Geopolitisch mag solche Flexibilität nützlich sein, ob sich mit ihr allerdings ein langfristiger globaler Führungsanspruch begründen lässt, ist zweifelhaft. Auch in China gibt es durchaus prominente Stimmen, die deshalb inzwischen eine stärkere Werteorientierung in der eigenen Außenpolitik befürworten.

Mittelfristig ist wahrscheinlich, dass Russlands Angriff für Peking auch in anderer Hinsicht Probleme bereiten wird. Die aktuelle „Zeitenwende“ in der deutschen und europäischen Sicherheitspolitik wird nicht ohne chinapolitische Konsequenzen bleiben. Stimmen, die einen generellen Systemgegensatz zwischen Demokratien und Autokratien konstatieren und letztere als inhärent aggressiv ansehen, dürften sich zunächst bestätigt fühlen.

Die irrationale Entscheidung zum Angriff hat Putin als ungehemmter Alleinherrscher und in einem nationalistisch aufgeheizten Klima getroffen – beides Trends, die auch China unter Xi Jinping zunehmend prägen. Die Unterschiede zwischen beiden Ländern sollte man darüber allerdings nicht vergessen.

Chinas Aufstieg hat einen langen Zeithorizont und seine Strategen gehen davon aus, ihre politischen Fernziele durch wirtschaftliches Wachstum erreichen zu können. Militärische Abenteuer wären hierfür kontraproduktiv.

Der chinesische Glaube an das Souveränitätsgebot ist zudem tief in der eigenen Geschichte und Identität verwurzelt. Putins Invasion mag die Vorstellung diskreditiert haben, dass die heutige Welt von Normen und wirtschaftlichen Verflechtungen geprägt ist – diese Vision ist jedoch eine, auf der sich durchaus auch mit China noch gemeinsamer Grund finden lässt.

Pascal Abb ist Politikwissenschaftler an der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) und forscht zu Chinas Außenpolitik und Aktivitäten in Konfliktregionen.

Auch interessant

Kommentare