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Burka und Bikini

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Hans-Hermann Kotte ist Politikredakteur der Frankfurter Rundschau ist Politikredakteur der Frankfurter Rundschau
Hans-Hermann Kotte ist Politikredakteur der Frankfurter Rundschau ist Politikredakteur der Frankfurter Rundschau © FR

Frankreich debattiert über ein Verbot der Burka. Auch Spanien und Belgien planen ein Untersagung. Doch ein Kleiderverbot fördert nicht unbedingt die Toleranz. Es verstärkt eher Vorurteile und isoliert die Verschleierten noch mehr. Von Hans-Hermann Kotte

Von Hans-Hermann Kotte

Am Dienstag wird die französische Nationalversammlung über ein Verbot der Burka debattieren. Auch Spanien und Belgien planen, die Vollverschleierung der muslimischen Frauen zu untersagen. Die Gesetzesinitiativen werden in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Die Befürworter des Verbots wollen gegen die Burka vorgehen, weil diese gegen die Würde der Frauen verstoße. Sie sei eine Art mobiles Gefängnis. Und von Ex-Muslimen ist zu hören, man verspreche sich vom Burka-Bann eine Absage an die Intoleranz, ein Säkularisierungs-Signal.

Auch die Gegner des Verbots bemühen die Toleranz: Durch solche Gesetze seien fundamentale Rechte der Frauen bedroht, die den Ganzkörperschleier als Ausdruck ihrer Identität und ihres Glaubens tragen. Gleichzeitig weisen sie darauf hin, dass es in Europa nur wenige vollverschleierte Frauen gibt. Statt Verbotsgesetze zu machen, solle man die Frauen mit Argumenten überzeugen, den Schleier abzulegen. Ein Gesetz werde nur zu mehr Isolation der Frauen führen und zu einer weiteren Stigmatisierung der Muslime.

Politikern wie Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy dürften solche Warnungen herzlich egal sein. Er will mit dem Burka-Verbot bei rechten Wählern punkten. Sogar feministische Argumente kommen dann den Konservativen gelegen: "Alle radikalen Praktiken, die gegen Würde und Gleichheit von Männern und Frauen verstoßen", seien unvereinbar mit den Werten des Landes, beschloss die französische Nationalversammlung im Mai. Dazu gehöre auch der Ganzkörperschleier.

"Radikale Praktiken"? "Würde"? Müssten dann nicht auch Bikinis oder Miniröcke auf den Prüfstand? Natürlich soll nicht unterschlagen werden, dass es Frauen gibt, denen von Männern der Vollschleier aufgezwungen wird; dass die Vollverschleie-rung Frauen von gleichberechtigter Teilhabe am Arbeitsleben ausschließt; dass sie dadurch bei der Teilnahme am öffentlichen Leben behindert werden.

Dennoch drängen sich Fragen auf, wenn feministisch argumentiert wird: Hat eigentlich schon jemand bewiesen, dass Burka-Trägerinnen Opfer einer stärkeren männlichen Unterdrückung sind als andere Frauen? Sollten ausgerechnet europäische Feministinnen für Kleiderverbote plädieren? Und was haben wir eigentlich von den Zwängen zu halten, denen die moderne, unverhüllte Frau ausgesetzt ist?

Die Ethnologin Ingrid Thurner hat jüngst darauf hingewiesen, welch rigides Körperregime angesagt ist für die westliche Frau: High Heels, dünne, hautenge Kleidung, perfekter Sitz von Frisur und Busen, Abmagerungskuren. Der Islam- und Verhüllungsdiskurs, so Thurner, verschleiere geradezu, dass "in dieser aufgeklärten Zeit Frauen zwar beinahe nackt herumlaufen dürfen, aber sonst wie eh und je wenig zu entscheiden haben".

In der Auseinandersetzung mit dem orthodoxen Islam, für den die Burka als Symbol steht, dürfte ein staatliches Kleiderverbot eher kontraproduktiv wirken. Denn es schürt die Vorurteile noch, heizt die Politisierung des Schleiers an. Das Verbot bedeutet polizeiliche Lösungen statt Pragmatismus. Die wenigen Fälle, um die es in Europa geht, sollten unaufgeregt und im Dialog verhandelt werden - und zwar dort, wo die Vollverschleierung tatsächlich Probleme macht: in Schulen und Universitäten, in Behörden und am Arbeitsplatz.

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