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Billigflieger nicht fördern

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Von: Frank-Thomas Wenzel

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Wer konsequenten Klimaschutz will, muss das Fliegen wieder so exklusiv machen, wie es früher einmal war. Der Staat darf Airlines nicht mehr indirekt subventionieren.

Vieles spricht dafür, dass der 28. März 2017 ein wichtiges Datum in der deutschen Wirtschaftsgeschichte wird. Dann startet die erste Boeing 737 der Ryanair vom Frankfurter Flughafen. Was die irische Fluggesellschaft demnächst offeriert, ist im Grunde unspektakulär: die Beförderung zu vier Ferienzielen in Spanien und Portugal. Doch hier geschieht gerade ein Paradigmenwechsel. Ryanair wird schon im Herbst zusätzliche Destinationen anbieten – auch nach London, Madrid oder Mailand. Für mutmaßlich weniger als 100 Euro können sich dann nicht nur Geschäftsleute morgens in ein bis zwei Stunden in europäische Metropole bringen lassen und abends zurückfliegen.

Dabei war Fliegen einst eine exklusive Angelegenheit. Ryanair und Co haben die Jets zu einem Massentransportmittel gemacht. Zunächst von Flugplätzen in der Provinz aus, wo Maschinen zu Flugplätzen in der Provinz eines anderen Landes flogen. Das wurde von der Konkurrenz zunächst als kurioses Nischenangebot belächelt. Inzwischen hat Ryanair als Marktführer sein Geschäftsmodell mit beachtlicher Konsequenz soweit optimiert, dass Low-Cost auch von den großen Flughäfen in den wichtigen Metropolen funktioniert.

Und die Iren werden Nachahmer dafür finden, wie mit einer hohen Auslastung der Maschinen und mit kurzen Aufenthaltszeiten an den Airports die Passagiere quer durch Europa transportiert werden. Die Lufthansa-Tochter Eurowings hat schon angekündigt, dass sie von 2018 an Ryanair in Frankfurt Konkurrenz machen will. Eine Handvoll weiterer Airlines steht bereit. Schließlich gilt es, enorme Kundenpotenziale an den Metropolen-Flughäfen zu nutzen, wodurch es einfacher wird, verlässlich neun von zehn Sitzplätzen pro Flug zu verkaufen – so wie es Ryanair vormacht. Fliegen kann noch billiger werden und damit vor allem der Bahn bei Reisen von mehr als 500 Kilometern viele Kunden abluchsen.

Bemerkenswert daran ist, dass dieses Geschäftsmodell von der öffentlichen Hand gefördert wird. Im Fall von Frankfurt hat die Betreibergesellschaft Fraport – das Land Hessen und die Stadt Frankfurt halten die Mehrheit der Anteile – eine Systematik bei den Start- und Landegebühren eingeführt, die neuen Kunden wie Ryanair erhebliche Rabatte gewährt. Das macht es möglich, dass die Iren mutmaßlich vom Sommer 2018 an mit der Fliegerei von Frankfurt aus Geld verdienen werden. Was in Frankfurt und in abgewandelter Form schon längst an anderen deutschen Flughäfen geschieht – angeschoben von den jeweiligen Landesregierungen – ist typisch für die deutsche Verkehrs- und Umweltpolitik. Zumal es den Flug-Treibstoff auch noch besonders billig gibt, da der Staat darauf verzichtet, dafür Steuern zu erheben.

Man kann es inkonsistent nennen oder schlicht und einfach schizophren. Denn zugleich sollen die Treibhausgasemissionen erheblich reduziert werden – um 40 Prozent bis 2030. So steht es im kürzlich verabschiedeten Klimaschutzplan der Bundesregierung. Mit einer Ausweitung des Kurz- und Mittelstreckenverkehrs in der Luftfahrt wird das ganz bestimmt nicht gelingen: In einer Studie im Auftrag des Flugzeugbauers Airbus und der Heinrich-Böll-Stiftung ist nachzulesen, dass bei der Beförderung im Jet pro Passagier fast fünfmal so viel klimaschädliche Abgase in die Atmosphäre geblasen werden wie bei der Fahrt mit der Bahn.

Das alles zeigt: Wir stehen jetzt an der Schwelle, wo wir entscheiden müssen, ob wir die Eindämmung der Erderwärmung wirklich erreichen wollen oder nicht. Wenn wir es wollen, brauchen wir eine andere Verkehrspolitik. Ein Masterplan, wie das große Ziel eines klimaneutralen Verkehrs im Jahr 2050 erreicht werden kann, liegt seit einigen Monaten vor.

Das im Auftrag des Wirtschaftsministeriums erarbeitete Renewbility-Konzept setzt zwangsläufig auf erneuerbare Energien, die Strom erzeugen, der dann Verkehrsmittel in Bewegung setzt. Beim Straßenverkehr ist das relativ einfach: Elektroautos sind die Lösung. Bei der Bahn muss es neben einem Ausbau des Schienennetzes – insbesondere an Netzknotenpunkten – vor allem um eine Elektrifizierung der Strecken gehen. Hier hinkt Deutschland hoffnungslos weit hinter den meisten europäischen Ländern her.

Kompliziert wird es in der Luftfahrt. Dass Passagierjets in großer Zahl in gut 30 Jahren mit Ökostrom elektrisch fliegen, ist unrealistisch. Experten sind sich einig, dass neuer umweltfreundlicher Kraftstoff benötigt wird. Der lässt sich mit grüner elektrischer Energie mittels Elektrolyse und weiterer chemischer Umwandlungsprozesse auch herstellen. Allerdings wird dieses Bio-Kerosin um ein Vielfaches teurer sein als der fossile Treibstoff. Schon heute lässt sich sagen, dass Geschäftsmodelle à la Ryanair damit nicht mehr funktionieren werden, selbst wenn es bei der Steuerfreiheit für den Sprit bleiben sollte. Die Förderung der Billigfliegerei ist kontraproduktiv. Wer konsequenten Klimaschutz will, muss das Fliegen wieder so exklusiv machen, wie es früher einmal war.

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