Beschwerlicher Weg aus der Diktatur

Burkina Faso wählt erstmals nach dem Übergang in die Demokratie und musste dafür einige Hürden nehmen. Der Gastbeitrag.
Am Sonntag wird in Burkina Faso gewählt. Für das Land in Westafrika sind es die ersten demokratischen Wahlen seit der Transition und deshalb auch so wichtig. Nach monatelangen Massenprotesten wurde im Oktober 2014 das 27 Jahre andauernde Regime unter Blaise Compaoré gestürzt und eine einjährige Übergangsphase eingeleitet, die 2015 mit der Wahl des heutigen Präsidenten Roch Marc Christian Kaboré endete.
Lange war unklar, ob und wie die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen stattfinden können. Die Gewalt dschihadistischer Gruppen hat in diesem Jahr zugenommen und ganze Landesteile im Norden und in der Grenzregion zu Mali in eine humanitäre Notlage versetzt. Der Staat hat dort keine Kontrolle mehr. Mehr als eine Million Menschen sind nach UN-Angaben im Land auf der Flucht, das sind etwa fünf Prozent der Bevölkerung.
Regierung und Opposition haben sich dennoch für die Wahlen entschieden. Denn auch wenn nach fünf Jahren die Enttäuschung in der Bevölkerung über verschleppte soziale Reformen und eine noch immer ausstehende gesellschaftliche Transformation groß ist, ist eines allen klar: Wer betrügt, wie zuvor Blaise Compaoré beim Versuch sich mittels einer Verfassungsänderung eine weitere Amtszeit zu sichern, wird vom Volk abgestraft.
Die Burkinabé haben damals zu Tausenden demonstriert und haben einen fast drei Jahrzehnte herrschenden Autokraten zu Fall gebracht, zuletzt mit Hilfe des Militärs, das dann aber, mit den ersten freien Wahlen 2015, wieder von der politischen Bildfläche verschwand. Um diese gesellschaftliche Kraft weiß auch die amtierende Regierung, die selbst Produkt dieses Aufstands ist.
Dennoch gibt es einen kritischen Punkt: Gemeinsam mit der Opposition wurde eine Klausel des Wahlgesetzes angepasst, um den Ausschluss der Gemeinden zu legalisieren, in denen aus Sicherheitsgründen nicht gewählt werden kann. Das betrifft nach Angaben der nationalen Wahlbehörde 15 von 351 Gemeinden. Man hat Vorkehrungen getroffen um eine Wahlregistrierung derjenigen zu ermöglichen, die vor der Gewalt fliehen mussten. Dieser wohlgemeinte Versuch scheitert in der Praxis allerdings daran, dass viele Geflüchtete gar keine Ausweise mehr besitzen. Gerade die Schwächsten im repräsentativen System könnten möglicherweise keine Stimme haben.
Es ist trotzdem wichtig und auch ein Erbe der jüngeren Vergangenheit, dass diese Wahlen stattfinden und nicht unter dem Vorwand der desolaten Sicherheitslage ins Ungewisse verschoben werden. Richtet man den Blick auf die Region, wird klar, dass es im Sahel so schnell keinen Frieden geben wird.
Zumindest offiziell bemüht sich die Regierung, dass diese Wahlen möglichst glaubwürdig ablaufen. So konnte etwa eine Wahlprüfungsmission der Afrikanischen Union (AU) und der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas Vorwürfe der Opposition zu Unregelmäßigkeiten bei der Wählerregistrierung ausräumen. Erstmals darf auch die burkinische Diaspora wählen.
13 Kandidatinnen und Kandidaten stehen zu Wahl. Dem amtierenden Präsidenten werden gute Chancen eingeräumt, die Wahl, wenn nicht im ersten, dann in einem zweiten Durchgang zu gewinnen. Mit ihm könnten zwei Kandidaten in eine Stichwahl gehen: der Oppositionsführer Zephrin Diabré, der beim letzten Urnengang mit rund 30 Prozent der Stimmen gegen Kaboré verlor. Hinzugekommen ist mit Eddie Komboïgo ein Mann der alten Garde um Compaoré. Bei den Parlamentswahlen ist der Präsident auf Allianzen angewiesen, um eine strategische Mehrheit in der Nationalversammlung zu erreichen.
Wer auch immer gewinnen wird, eine politische Neuorientierung wird es nicht geben. Es zeichnet sich ab, dass Kaboré in einer zweiten Amtszeit weiter auf einen militärischen Weg zur vermeintlichen „Stabilisierung“ des Landes setzen wird. Dafür hat er in der Region und international in den vergangenen Jahren bereits wichtige Allianzen geschaffen.
Doch auch wenn die Sicherheit eines der dominierenden Themen im Wahlkampf ist, so geht es nicht nur darum. Viele Wählerinnen und Wähler suchen Antworten auf soziale Fragen. Dabei geht es um den Zugang zu Land und Landrechten, eine gerechtere Verteilung der Gewinne aus dem Bergbau, eine gesicherte Wasser- und Gesundheitsversorgung, um Bildung und eine gesicherte Beschäftigung – letzteres gerade auch für die vielen von der Politik desillusionierten jungen Menschen, die mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmachen. Mehr als all das braucht die Bevölkerung wieder Vertrauen in den Staat und seine Institutionen. Wahlen sind nur ein Teil dessen.
Zur Person:
Simone Schnabel promoviert am Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung und hat davor für die Vereinten Nationen und die GIZ in Westafrika gearbeitet.