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Signale aus Berlin

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Von: Pitt von Bebenburg

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Blumen gibt es immer nach der Wahl – egal, ob Sieg oder Niederlage. CDU-Chef Merz will hier einen Gewinner bedenken. Axel Heimken/dpa
Blumen gibt es immer nach der Wahl – egal, ob Sieg oder Niederlage. CDU-Chef Merz will hier einen Gewinner bedenken. © dpa

Die CDU jubelt nach der Berlin-Wahl. Doch inhaltlich spricht vieles für ein neues Bündnis der Verliererinnen. Der Leitartikel.

Es war kein gutes Wochenende für die deutsche Sozialdemokratie. Während die Republik auf die Schlappe der SPD bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin schaute, erlitten die Genossinnen und Genossen 600 Kilometer südwestlich eine weitere historische Niederlage.

In der Bundeshauptstadt holte die SPD mit der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey das schlechteste Ergebnis aller Zeiten. In der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz wird die SPD erstmals seit 1949 nicht mehr das Stadtoberhaupt stellen, ihre Kandidatin Mareike von Jungenfeld kam nicht einmal in die Stichwahl. SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer hatte die Wahl erst nötig gemacht, indem sie den Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling als Innenminister ins Kabinett holte.

Berlin-Wahl: Giffeys Zukunft ist ungewiss

Immerhin: In Rheinland-Pfalz regiert weiterhin Dreyer, und das seit Januar 2013. Dagegen ist die Zukunft ihrer Genossin Franziska Giffey in Berlin ungewiss – und auch die Frage, ob die SPD überhaupt weiter an der Spitze des Berliner Senats steht. Womöglich muss angesichts des hauchdünnen Wahlergebnisses nachgezählt werden, ob nicht doch die Grünen vor Giffeys Partei gelandet sind.

Den ersten Platz holte sich die CDU des blassen CDU-Kandidaten Kai Wegner. Doch ein Ergebnis von gut 28 Prozent als „klaren Regierungsauftrag“ zu bezeichnen, wie es Wegner tut, ist dann doch anmaßend. Die Forderung, dass die stärkste Partei auch den Regierungschef oder die Regierungschefin stellen müsste, wird stets nach solchen Wahlergebnissen erhoben. Doch diese Debatte ist inhaltsleer.

Gemeinsam regieren kann, wer nicht nur eine rechnerische Parlamentsmehrheit hinter sich bringt, sondern auch inhaltlich zusammenpasst. Letzteres trifft in Berlin aber weder auf die Kombination von CDU und SPD, noch gar auf die von CDU und Grünen zu. Eine Partei, die das Autofahren in den Mittelpunkt der Verkehrspolitik stellt, keine Konzepte zum Schutz vor hohen Mieten zu bieten hat und sogar mit rassistischen Ressentiments spielt – wie die Berliner CDU –, kann nicht erwarten, dass SPD oder Grüne sich auf ein Bündnis mit ihr einlassen.

Daher spricht viel dafür, dass die drei Wahlverliererinnen SPD, Grüne und Linke auch den nächsten Berliner Senat stellen. Dass sie die Verwaltung der maroden Stadt gründlich reformieren müssen, dürfte nach diesem Wahlergebnis auch den Letzten von ihnen dämmern.

In jedem Fall wird das Berliner Ergebnis die Kooperation in der Ampel-Regierung im Bund noch weiter erschweren. Alle drei Parteien haben in Berlin verloren. Während für SPD und Grüne Machtoptionen bleiben, fällt die Niederlage für die FDP dramatisch aus. Seit die Ampel im Bund regiert, fährt Christian Lindners Partei nur noch Niederlagen ein.

Berlin-Wahl: FDP erleidet Schlappe

Das Berliner Abgeordnetenhaus ist bereits das dritte Landesparlament, in dem die FDP seit 2022 ihre Sitze räumen muss, weil sie an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert ist. In Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen konnten sich die Freien Demokraten zwar in den Landtagen halten, flogen aber aus den Landesregierungen. Lindner muss daraus Konsequenzen ziehen. Aber welche?

Es steht zu befürchten, dass sich die FDP weiter radikalisiert. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki gefällt sich bereits in der Rolle des Scharfmachers. Er beklagt „Appeasement“ im Umgang mit den Grünen, als wäre der Koalitionspartner eine feindliche Macht. Wahrscheinlich empfindet er das wirklich so. Aber ist es nicht eher umgekehrt?

Gut möglich, dass der Auftritt der FDP als Stinkstiefel-Partei potenzielle Wählerinnen und Wähler abschreckt.

Manche in Lindners Partei dürften sich fragen, ob es nicht auch 2021 besser gewesen wäre, im Bund nicht statt – im Sinne der FDP – schlecht zu regieren. Doch ein Zipfel der Macht war den Freidemokrat:innen immer wichtig. Tatsächlich hat Lindner auch Erfolge für die eigene Klientel vorzuweisen. Insbesondere in der für die FDP zentralen Steuerpolitik, konkret dem Kampf gegen die „kalte Progression“. „Die CDU redet über Steuersenkungen, die FDP liefert sie“, triumphierte Lindner. Doch das reicht nicht, um auf allen Ebenen die Wählerschaft zu rekrutieren.

Nun ist es an Olaf Scholz, den ständigen gelb-grünen Konflikt im Zaum zu halten. Einmal, als es um die Laufzeiten der Atomkraftwerke ging, musste er ein öffentliches Machtwort sprechen, um den Streit beizulegen. Die Ergebnisse der Berlin-Wahl lassen befürchten, dass solche Eskalationen künftig zum Alltag der Bundesregierung zählen werden. Zumindest das wird Friedrich Merz freuen – selbst wenn sein Parteifreund Wegner nicht ins Rote Rathaus einziehen sollte. (Pitt von Bebenburg)

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