Antiquiert an der Staatsspitze

Elke Büdenbender muss als Frau von Bundespräsident Steinmeier ihre Karriere aufgeben. Ein Anachronismus, der gut passt zu anderen Benachteiligungen von Frauen. Der Leitartikel zum Thema.
Frank-Walter Steinmeier ist neuer Bundespräsident und künftig steht an seiner Seite eine Frau, die die Öffentlichkeit als Politikergattin bisher gemieden hat. Elke Büdenbender hatte das nicht nötig, sie ist eine kluge, selbstbewusste Frau, Richterin am Berliner Verwaltungsgericht. Obwohl sie das nicht wollte, wurde ihr nahegelegt, ihren Beruf ruhen zu lassen, und es ist davon auszugehen, dass ihr das nicht weniger schwerfällt als Daniela Schadt, der Lebensgefährtin von Joachim Gauck, die leitende Redakteurin bei einer Zeitung war. Dass es in ihrem Fall zu Interessenskonflikten gekommen wäre, lässt sich sogar nachvollziehen. Aber es wäre nicht einmal toleriert worden, dass sie das Ressort wechselt – so wie es Valerie Trierweiler tat, die frühere Lebensgefährtin des französischen Präsidenten Francois Hollande, ebenfalls eine politische Journalistin. Für manche war es schon Zumutung genug, dass Gauck und Schadt nicht miteinander verheiratet sind.
Nun bekommt Deutschland wieder eine First Lady, die ihren Weg gegangen und erfolgreich ist – und von der die Nation jetzt erwartet, dass sie genau das, bitteschön, nicht mehr ist. Büdenbender wird sicher mehr sein wollen als die sprichwörtliche Frau an seiner Seite, und doch haftet der Rolle der First Lady in Deutschland etwas unzeitgemäß Betuliches an. Warum eigentlich, muss man im Jahr 2017 fragen in einem Land, das sich gern zu Gute hält, modern und aufgeschlossen zu sein und auch gesetzgeberisch viel zu tun für die Gleichstellung von Frauen?
Ja, auch Büdenbender wird weiter arbeiten dürfen. Als Schirmherrin von wohltätigen Organisationen, als Trösterin für Notleidende, als mitfühlende Beraterin ihres Mannes, als formvollendete, gut gekleidete und kluge Gastgeberin, als höflich lächelnde und charmant parlierende Reisebegleiterin. Dass sie einen Hochschulabschluss mitbringt und profunde Erfahrungen aus ihrem Beruf, schadet nicht, aber jetzt gehen die Anforderungen, die „das Amt“ stellt, vor. Das ihres Mannes, um präzise zu sein.
Denn ihr Amt gibt es gar nicht. Im Grundgesetz steht nirgends, dass die Ehefrau eines Bundespräsidenten nicht arbeiten darf. Es steht dort schlicht gar nichts über eine First Lady. Dennoch wird erwartet, dass die Präsidentengattin eine öffentliche Aufgabe übernimmt, und das klaglos. Bettina Wulff hat in den besseren Passagen eines Buches geschildert, was das bedeutet. Von einer 40-Stunden-Woche habe sie nur träumen können, schrieb sie bitter, ohne dafür bezahlt zu werden. Ein Schicksal, das die deutschen First Ladies mit denen in den USA teilen. Die Amerikaner debattieren gerade heftig über Melania Trump, die sich bislang weigert, ihrem Mann ins Weiße Haus zu folgen. Das halten die einen für einen Skandal, Feministinnen hingegen haben Melania Trump als Mitstreiterin entdeckt.
Deutsche Normalität
In Deutschland wird die Diskussion gar nicht erst geführt, dabei ist sie überfällig. Gewiss, die Rolle der First Lady hat sich gewandelt, nur biederes Hausfrauentum ist heute nicht mehr gefragt. Warum aber soll die Frau des Bundespräsidenten nicht weiterarbeiten in ihrem Beruf? Es ist bezeichnend, dass andere europäische Länder das Problem gar nicht kennen, das katholische Frankreich etwa und das noch katholischere Italien.
In Deutschland aber gilt es als „normal“ und wünschenswert, dass die Interessen der Ehefrau oder Lebensgefährtin zurückzustehen haben. Das ist umso absurder, als der Bundespräsident weitgehend repräsentative Aufgaben hat, im Gegensatz etwa zum französischen Staatspräsidenten. Trotzdem ist es selbstverständlich, dass die First Lady selbstlos im Dienste der Nation steht – das wird übrigens auch von den Partnern von hohen Diplomaten erwartet, während sie Deutschland im Ausland vertreten. Selbstverständlich sind es auch hier in der Regel die Frauen, die zurückstecken. Das verrät viel über unser Staatsverständnis und unsere Vorstellungen von Geschlechterrollen. Es ist eben auch kein Zufall, dass Frauen in Deutschland, verglichen mit anderen europäischen Ländern, immer noch oft schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen und viel häufiger in Teilzeit arbeiten.
Jahrzehntelang standen in Deutschland auch die Kanzlergattinnen treusorgend hinter ihren Ehemännern. „Angeheiratete der Politik“ hat Loki Schmidt das treffend genannt. Immerhin hat Deutschland es unterdessen zu einer Kanzlerin gebracht, werden manche einwenden. Ja, stimmt, zu einer Bundespräsidentin aber nicht. Und auch nicht zu einer First Lady, die vorleben kann, dass Familie und Beruf – und die politischen Ämter von Ehemännern – durchaus vereinbar sind, wenn die Gesellschaft das nur will. Merkels Ehemann, ein international bekannter Naturwissenschaftler, hat sich der neuen Rolle des Kanzlergatten elegant verweigert. Daran nimmt niemand Anstoß. So wird es auch sein, wenn sich Deutschland eines Tages seine erste Präsidentin „traut“. Erst dann, das lässt sich prognostizieren, wird die First Lady in den Geschichtsbüchern verschwinden.