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Und Walter Ulbricht übt mit Zuckerwürfeln den Mauerbau

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Michael Bully Herbig und Jürgen Vogel als Gäste im „Hotel Lux“.
Michael Bully Herbig und Jürgen Vogel als Gäste im „Hotel Lux“. © Bavaria Pictures/Stephan Rabold/dapd

Eine Komödie über Stalins Terror mag möglich sein, aber ist sie auch wünschenswert? An Leander Haußmanns „Hotel Lux“ kann man das ab Donnerstag im Kino prüfen.

Von Anke Westphal

Dass man Michael Bully Herbig einmal als ernsthaften Schauspieler schätzen würde, hätte man sich nicht träumen lassen. Aber es ist so: Der offenbar zu Unrecht als Blödelkönig verkannte Mann ist ein großer Trost in Leander Haußmanns neuem Film, der eine Komödie über Stalins Terror sein will. Wer jetzt nicht weiß, wer Stalin war, wird auch mit dem Filmtitel „Hotel Lux“ nicht viel anfangen können. Deswegen hier ein Exkurs: Stalin herrschte einst über ein Land namens Sowjetunion – nein, es ist nicht dasselbe wie Russland. Als einer der großen Diktatoren des 20. Jahrhunderts ging er mit unvorstellbarer Härte gegen Menschen vor, die nicht einmal Andersdenkende zu sein brauchten – es genügte der bloße Verdacht, um sie in eines der Lager (Gulags) oder gleich um ihr Leben zu bringen. Diese Massenmorde wurden später als stalinistische Säuberungen bezeichnet; es gab davon mehrere Wellen, und sie erstreckten sich auch auf Emigranten aus Mittel- oder Westeuropa, die vor Hitler oder Franco in die Sowjetunion geflüchtet waren. Etliche von ihnen kamen im Moskauer Hotel „Lux“ unter, dem Gästehaus der Kommunistischen Internationale.

„Trotzkisten“ und andere „Verräter“

Überlebende haben später beschrieben, wie dort Nacht für Nacht der sowjetische Geheimdienst NKWD an die Zimmertüren hämmerte, um „Trotzkisten“ und andere „Verräter“ abzuholen. Hier also ist Leander Haußmanns Film angesiedelt. Hierhin verschlägt es den Berliner Komiker Hans Zeisig 1936. Eigentlich ist er kein Kommunist, sondern Bonvivant. Dass er den „Führer“ noch nach dessen Amtsantritt auf der Bühne karikiert hat, trieb Zeisig ins Exil. Nach Moskau ging es, weil dies der falsche Pass so vorgab.

Natürlich kann aus fast jeder Begebenheit, auch weltgeschichtlicher, humoristisches Kapital geschlagen werden. Komödien über Todesfälle gibt es ebenso wie solche über die Nazis. Eine Komödie über Stalins Terror mag möglich sein, aber ist sie auch wünschenswert? Diese Frage muss jeder für sich selbst entscheiden.

Hier bleibt nur zu beschreiben, wie Leander Haußmann vorgeht bei „Hotel Lux“. Er arbeitet und rechnet mit der Komik, die Missverständnissen geschuldet ist. Und so hält sein Held Hans Zeisig das Hotel „Lux“ denn auch für ein richtiges Hotel. Forsch verlangt er das beste Zimmer und blickt sich nach dem Kofferträger um, kaum irritiert durch die gemeine Dumpfheit des wachhabenden Sowjetmilitärs. Lange behauptet der Film Zeisigs Naivität; lange wird so getan, als würde der Deutsche die Todesangst, die im Haus herrscht, nicht spüren – auch wenn die Emigrantenkinder auf den Hotelkorridoren „Auf der Flucht erschossen“ spielen und nachts die Stiefel der NKWD-Leute dröhnen.

Mit Zuckerwürfeln Mauerbau spielen

Wo Michael Bully Herbig sich als Zeisig schon fast würdevoll durch die Szenerie bewegt, reiht Haußmann nun in gewohnter Weise Nummern à la Revue aneinander. Das selbstredend einstimmige Abstimmen deutscher Kommunisten im „Lux“ über eine 42 Punkte umfassende Tagesordnung wird etwa bis zum Abwinken durchexerziert. Kommunistische Parolen dienen als Grundlage für Kalauer satt: So hängt über Zeisigs Bett ein Banner, worauf steht „Proletarier aller Länder vereinigt euch!“. Und Walter Ulbricht, der seinerzeit tatsächlich „Lux“-Bewohner war, spielt mit Zuckerwürfeln schon mal Mauerbau.

Das alles ist sicher Geschmackssache. Interessant ist indes eine Verwechslungsfarce: Aufgrund seines falschen Passes wird Hans Zeisig irrtümlich für Hitlers Astrologen gehalten, der heimlich Stalin beraten soll. Wie sich der unglückliche Held da windet, was für eine Spirale an Täuschungen seine Lüge auslöst, das ist fesselnd. Ja, für Haußmann-Verhältnisse ist es schon fast raffiniert! Jürgen Vogel spielt im Film übrigens einen echten Kommunisten und Ex-Kollegen Zeisigs; gemeinsam traten sie vor 1933 im Kabarett eines jüdischen Eigentümers als Hitler und Stalin auf. Was hätte Ernst Lubitsch daraus gemacht! Oder Mel Brooks! Offenbar gehört Haußmann zu unserer historischen Strafe.

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