Auf vielen Bühnen daheim

Der umstrittene Sänger Xavier Naidoo weist die Vorwürfe des Extremismus von sich und erklärt sich. Nicht alle halten das für glaubwürdig. Auch scheint die Beziehung zur Stadt Mannheim angeknackst.
Xavier Naidoo hat wieder öffentlichkeitswirksam zugeschlagen. Der Lieblingsbarde aller Reichsbürger und aller Pegida-Marschierer legt mit seinem Verschwörungssong „Marionetten“ erneut ein Stück vor, das vor rechter Wutbürger-Terminologie nur so strotzt.
„Alles nur peinlich und so was nennt sich dann Volksvertreter. Teile eures Volks – nennt man schon Hoch- beziehungsweise Volksverräter. Alles wird vergeben, wenn ihr einsichtig seid. Sonst sorgt der wütende Bauer mit der Forke dafür, dass ihr einsichtig seid“, singt Naidoo mit seinen „Söhnen Mannheims“ und erinnert an die Auftritte der Ex-Pegida-Frontfrau Tatjana Festerling, die einst Politikern mit Mistgabel in der Hand gedroht hatte. „Wenn ihr die Tür nicht aufmacht, öffnet sich plötzlich eine Warnung durchs Fenster. Vom Stadium zum Zentrum eine Wahrheitsbewegung“ geht es bei Naidoo freimütig weiter, womit der Sänger einigermaßen unzweideutig zur Gewalt aufruft.
Das von Chefredakteur Jürgen Elsässer verantwortete rechte „Compact“-Magazin klatscht bereits begeistert Beifall: „‚Volksverräter‘: Xavier Naidoo ruft zum Widerstand auf“, titelt es und orakelt, „Marionetten“ könnte „zur Hymne der friedlichen Volksopposition“ werden. Da hat der Autor wohl nicht richtig zugehört: „Und wenn ich nur einen in die Finger bekomme. Dann zerreiß ich ihn in Fetzen. Und da hilft auch kein Verstecken hinter Paragraphen und Gesetzen“ klingt jetzt nicht nach einem Angebot zum konstruktiven Diskurs am runden Tisch.
In Naidoos Heimatstadt kommt der Song weniger gut an. Lokalpolitiker sehen einen Prestige-Verlust, immerhin habe die Stadt mit den „Söhnen Mannheims“ ein Medienzentrum eröffnen wollen. Außerdem hatte man bei Kulturprojekten zur Erfindung des Fahrrads vor 200 Jahren kooperiert, doch scheinen einige Projekte bereits auf Eis zu liegen. Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD), der nicht müde wird, die Leistungen des Vorzeigesohnes zu preisen, kritisierte die „antistaatlichen Texte“ des neuen Albums, und Grünen-Politiker Gerhard Fontagnier empfand immerhin die Passage „Volks-in-die-Fresse-Vertreter“ als unangemessen beleidigend.
Auch jenseits der Stadtgrenzen regt sich Widerstand. In Rosenheim forderte die Initiative „Kein Hass auf Rosenheims Bühnen“, die Band aus dem Programm des Sommerfestivals zu streichen, zahlreiche Radiosender spielen Naidoos Songs nicht mehr.
Mittlerweile ist Naidoo um Schadensbegrenzung bemüht. In einer Krisensitzung mit der Stadt Anfang der Woche kommunizierte die Band ihre Haltung, drei Stunden habe der Austausch mit dem OB gedauert. Tränen seien geflossen, heißt es, tröstende Umarmungen habe es gegeben, doch lässt die Stadt keinen Zweifel daran, was sie von „Marionetten“ hält. Die Beziehung sei zwar nicht vollends zerstört, aber angeknacks.
Auch auf Facebook äußerte sich der Sänger gestern, der „noch einmal das Wort für die Kunst ergreifen“ müsse, zur Sache. Mit Kritik könne er gut leben, dennoch sei es bedauerlich, „dass in der Diskussion über diesen Song teilweise Unterstellungen wiederholt werden, zu denen es meinerseits zahlreiche Klarstellungen und unmissverständliche Dementis gab“. Es handle sich bei „Marionetten“ um eine „zugespitzte Zustandsbeschreibung gesellschaftlicher Strömungen, also um die Beobachtung bestimmter Stimmungen, Auffassungen und Entwicklungen, dies (sei) im Rahmen einer künstlerischen Auseinandersetzung bewusst überzeichnet“. Er und die „Söhne Mannheims“ stünden jedoch für eine freiheitliche und liberale Gesellschaft, in der „viele Kulturen“ zusammenlebten. Er sei gegen jede Form „von Radikalismus oder Nationalismus“: „Dass ich weder rassistisch noch rechtspopulistisch bin, bedarf für mich eigentlich keiner (erneuten) Erwähnung.“
Diese Erklärung passt nicht ganz zu Naidoos Aktivitäten als Redner bei der rechtsextremen „Reichsbürger-Bewegung“ 2015, zu deren Nähe er seinerzeit keinen Hehl gemacht hat. Schon vorher hatte er in einem Interview im „Focus“ 2014 kundgetan, auf die NPD zugehen zu wollen. Deshalb klingen seine Beschwerden über den Beifall von Dunkelbraun absurd. Auch lassen seine Textzeilen den Schluss zu, dass Naidoo, selbst wenn er es bestreitet, gezielt auf das Wutpotential der rechten Protestbewegungen abzielt, deren Jargon er sich unzweideutig bedient.
Im Übrigen gilt der Sänger als Wiederholungstäter. In „Nie wieder Krieg“ (2015) sang Naidoo zum Balladensound die Textzeile „Muslime tragen den neuen Judenstern“, was eine Verharmlosung des Holocaust bedeutet. Das Lied fand zahlreiche Fans, darunter den Publizisten Jürgen Todenhöfer. Die Zeile „Nie mehr Krieg, wenn wir das nicht mehr sagen dürfen, dann läuft doch etwas schief“ adaptiert gleichsam jenen verschwörungstheoretischen Duktus, der ein Verbot der Meinungsfreiheit behauptet, das so nie existierte. Den Diskussionen zum Trotz durfte Naidoo 2017 auf Vox den Echo moderieren, überhaupt hatte der Sender keinerlei Berührungsängste mit dem Sänger, der Ende 2016 aus der Show „Sing meinen Song“ ausgestiegen ist. Eine neue Bildschirmpräsenz fand Naidoo auf Sky 1, wo er „Zuschauerwünsche live on air performt“.
Seit 1. Mai touren die „Söhne Mannheims“ durch Deutschland und schmettern dem Publikum ihr „Wie lange wollt ihr noch Marionetten sein?“ entgegen. Was es bei Pegida umsonst gibt, kostet bei Naidoo allerdings Minimum 60 Euro.
Von Katha Thorwarth
Xavier Naidoo und sein rassistisches Macker-Gequake: Im Netz kursiert ein Video, indem Xavier Naidoo gängige Rassismen bedient. Unsere FR-Autorin hat sich den Clip angeschaut.