Abe Frajndlich: „Ich war da, ich war aufmerksam“

US-Fotograf Abe Frajndlich hat in einem ganz eigenen Stil Prominente porträtiert. In Frankfurt ist nun die bisher größte Retrospektive zu sehen.
Wohl noch nie war mir ein Gespräch mit mehr Vorschusslorbeeren schmackhaft gemacht worden. Alle hatten sie geschwärmt vom legendären Charme des US-Fotografen Abe Frajndlich. „Unglaublich sympathisch“ sei er, sagte beispielsweise Celina Lunsford, Kuratorin des Fotografie-Forums Frankfurt, das von Freitag, 19. Mai, an bis zum 17. September die bisher größte Retrospektive seiner Werke zeigt. Aber logisch, wenn sich so viele Prominente von dem 1946 in Frankfurt-Zeilsheim geborenen Meister becircen lassen und in mehr als 50 Jahren so atemberaubende Porträts entstanden sind wie im Werk Frajndlichs, dann muss der schon ein ganz besonderes Händchen für sein Gegenüber haben. Und ja, man kann getrost sagen: Alle haben sie in Sachen Charme untertrieben. Abe Frajndlich ist umwerfend.

Mr. Frajndlich, dieses wunderbar gelbe Porträt des Schauspielers Jack Lemmon, der mit Zitronen vor den Augen posiert, wie ist Ihnen das denn gelungen? Man sieht ihm an, wie viel Spaß er hatte.
Ich hatte den Auftrag, Jack zu fotografieren, das war wohl 1996. Da bekam er den Deutschen Filmpreis. In der Woche vor unserer Verabredung habe ich mir viele seiner Filme angesehen und dachte, ich will ihn in einem großen weißen Studio in Hollywood fotografieren. Ich habe viele Requisiten besorgt, unter anderem Zitronen (englisch: Lemon).
Wir sind also im Studio und warten, und er kommt einfach nicht. Nach 30, 40 Minuten gehe ich vor die Tür, und da kommt er angefahren in einem Rolls Royce, selbst am Steuer. Ich will mich vorstellen und er meint nur: Keine Zeit zum Reden, ich muss mal, und zwar sofort! Park mal meinen Wagen! Ich meine nur: Kein Problem, Mr. Lemmon! – und denke an den 180 000-Dollar-Wagen, mit dem ich nun einparken soll.

Im Atelier, wo viele andere Produktionen gleichzeitig sind, ist er dann endlos im Badezimmer, und wir fangen schon an, uns Sorgen zu machen. Er war ja nicht mehr der Jüngste. Aber es stellte sich heraus: Jack Lemmon hat sich selbst geschminkt für unseren Fototermin. Jedenfalls kommt er raus und stellt sich erst mal allen vor, herzlich, unprätentiös, freundlich. Wir besprechen dann das Foto. Ich hatte mir vorher ganz viele Filme mit ihm angesehen, und in einem hat er einen Feldstecher, mit dem er als Kapitän sonnenbadende Mädchen auf einer Yacht beobachtet. Ich sage ihm, dass ich die Zitronen gerne als Anspielung darauf verwenden würde. Und er meint: Ich bin jetzt seit 55 Jahren Schauspieler, aber so eine Idee hatte noch niemand. Mach, was du willst.
Und als wir grade anfangen, schaut ein fast nacktes Mädel in einem durchsichtigen grünen Negligee aus dem Nachbarstudio rein, weil sie dort gerade eine Comedy drehen, und meint: „Mr. Lemmon, meine Großmutter ist wahrscheinlich Ihr größter Fan auf der ganzen Welt! Sie wäre unendlich glücklich, wenn wir beide zusammen ein Polaroid-Bild für sie machen könnten!“
Ich dachte dann, was soll’s, wir sind eh schon spät dran, und wenn Mr. Lemmon mitmachen will, warum denn nicht? Also fangen sie an, Späßchen mit den Zitronen zu machen, und er schaut immer auf das durchsichtige Hemdchen. Da war er absolut lebendig in diesem Moment. Und ich habe ihn dabei fotografiert. Wenn man mit Schauspielern wie ihm oder Dennis Hopper arbeitet, bleiben sie ja unglaubliche Profis. Oft war es beim Fotografieren für mich einfach so: Ich war da, ich war aufmerksam, und ich hatte meine Hausaufgaben gemacht.

Zur Person
Die Ausstellung „Abe Frajndlich. Chameleon“ zeigt das Fotografie-Forum Frankfurt, Braubachstraße 30-32, von Samstag, 20. Mai, bis zum Sonntag, 17. September. Der Fotograf spricht am 20. Mai, 15 Uhr, mit der Kuratorin Celina Lunsford über seine Arbeit und sein Leben, das Stoff für wohl gleich mehrere Romane böte.
Abe Frajndlich ist gebürtiger Frankfurter. Seine Eltern, Überlebende des Holocausts und Kindheitsfreunde, lernten sich in einem Lager für „Displaced Persons“ im Stadtteil Zeilsheim kennen. Tragischerweise wurde der Vater 1947, 13 Monate nach Abes Geburt, ermordet, die Mutter wanderte mit dem Baby nach Palästina aus und heiratetet erneut, kehrte für einige Jahre nach Frankfurt zurück, wo der Junge eingeschult wurde. Weitere Stationen waren Frankreich und Brasilien, wo die Mutter starb, und schließlich die USA, wo Abe adoptiert wurde. Sieben Sprachen hat er so gelernt.
Rund 160 Fotografien aus den vergangenen 50 Jahren sind in der bisher größten Frajndlich-Retrospektive im Fotografie-Forum Frankfurt zu sehen, darunter auch Teile seine Zyklus’ „Masters of Light“ über legendäre Fotografinnen und Fotografen des 20. und 21. Jahrhunderts. aph
Abe Frajndlich begann mit elf Jahren in der Schule zu fotografieren, er hatte von der Mutter eine Leica-Kamera geerbt. Er nimmt sich sehr, sehr viel Zeit für seine Bilder und bereitet sich lange auf sein Gegenüber vor. Der Stararchitekt Frank Gehry, so erzählt Frajndlich in unserem Gespräch, gab ihm zehn Minuten Zeit für ein Porträt am frühen Sonntagmorgen und entschied dann, doch eine ganze Woche dafür freizuräumen, als er merkte, wie sorgfältig sich der Fotograf, der eigens für das Bild von New York nach Kalifornien gereist war, vorbereitet hatte. Frajndlich hat viele Stars getroffen. Berühmt geworden ist er aber mit einer Serie prominenter Kolleginnen und Kollegen.
Sie haben schon Fotografie-Legenden wie Cindy Sherman, Imogen Cunningham, Robert Doisneau oder Ilse Bing porträtiert. Sind solche Profis die schwierigsten Modelle?
Ich würde sagen, in 99 Prozent der Zeit wissen sie ganz genau, was ich mache, und sie wollen dir natürlich helfen. Sie wissen, dass ich es ernst meine. Ich habe mich natürlich immer sehr gut vorbereitet, aber sie sind aber ganz anders als etwa Politiker, für die so eine Sitzung nur ein weiterer Termin in ihrem Kalender ist.

Wenn man sich Ihre Bilder ansieht, dann bleiben einem viele im Gedächtnis. Gibt’s denn eines, das Ihnen besonders am Herzen liegt?
Natürlich gibt es ein paar Fotos, auf die ich stolz bin, das Bild von Dennis Hopper zum Beispiel oder das von Isaac Bashevis Singer oder von Roy Lichtenstein, und klar, auch das von Jack Lemmon. Am stolzesten bin ich aber immer auf das Bild, das ich morgen machen werde, auf das Foto, das noch nicht entstanden ist. Denn alle Bilder, die ich bisher gemacht habe, sind Schnee von gestern - ich lebe ja noch! Und fotografiere noch!
Letztes Wochenende war ich zum Beispiel im Haus eines Freundes eingeladen, und als ich wieder ging, machte ich ein Foto mit dem Handy von den herrlich blühenden Bäumen in seiner Straße. Da kam ich selbst wieder mal ins Staunen. Es ist immer ein neues Wunder, diese Verjüngung der Natur in jedem Frühjahr. Am Sonntag habe ich dann ein bisschen gespielt mit dem Bild, habe es in Schwarz-Weiß umgewandelt und gemerkt, dass das gar nicht schlecht ist. Das Wunderbare daran, Augen zu haben, ist, dass man an jedem Tag, in jedem Moment aufs Neue überrascht werden kann.