Update: Wettertwitter

Wo und wie können Unternehmen und Organisationen Update-Ströme veröffentlichen, ohne auf das Wohlwollen von Leuten wie Elon Musk angewiesen zu sein? Die Kolumne „Update“.
Der US-Journalist und Entwickler Ryan Murphy trauerte vor ein paar Tagen bei Mastodon um die Wetterwarnungen für Los Angeles, die der National Weather Service bisher bei Twitter veröffentlicht hat. Wegen Elon Musks neuer Regeln wird das voraussichtlich demnächst nicht mehr funktionieren. „Das Problem damit? Diesen ständigen Informationsstrom veröffentlichen sie so nirgendwo anders.
Im RSS-Feed passiert seit Jahren nichts mehr.“ RSS ist eine Technik, genau solche Update-Ströme auf eine Weise bereitzustellen, die von anderen Seiten und Apps automatisch ausgelesen und verarbeitet werden konnte. Murphy möchte wieder zurück zu dieser Technik: „Ich will nicht, dass öffentliche Einrichtungen als Folge des Twitter-Verfalls Mastodon-Accounts einrichten, ich will, dass sie funktionierende RSS-Feeds einrichten.“ Wenn der Wetterservice so einen RSS-Feed auf seiner eigenen Seite hätte, könnten alle Wetternachrichten automatisch zu Mastodon fließen und gleichzeitig an viele andere Orte. Die Institution wäre nicht mehr an eine Plattform gebunden.
RSS war vor allem in den Nullerjahren beliebt. Seit etwa zehn Jahren verliert es an Bekanntheit. Facebook und Twitter unterstützen kein RSS mehr, der Google Reader, der einmal das beliebteste Darstellungswerkzeug für RSS-Feeds war, wurde 2013 eingestellt. Googles Begründung war schon damals, dass sich zu wenige dafür interessierten. Weil viele Browser nichts mehr mit dem Format anfangen können, führt der Klick auf den RSS-Link dort, wo es ihn noch gibt, für viele nur zu einer Fehlermeldung oder einer unbrauchbaren Darstellung.
RSS ist also wahrscheinlich nicht die Antwort auf die Frage, die Murphy aufwirft: Wo und wie können Unternehmen und Organisationen solche Update-Ströme veröffentlichen, ohne auf das Wohlwollen von Leuten wie Elon Musk angewiesen zu sein?
Die eigene Webseite ist diese Alternative schon mal nicht. Dort finden sich alle möglichen Informationen, die zuletzt vor fünf Jahren beim Redesign der Seite aktualisiert worden sind, aber nichts Aktuelles. Große Organisationen haben eine Abteilung oder eine zuständige Person, die für die Webseite zuständig ist und mit der man sich verständigen müsste, um irgendwas zu ändern. Das ist ein langsamer und konfliktträchtiger Prozess, den man nur in Gang bringt, wenn es wirklich sein muss, und oft nicht einmal dann.
Auch wer nur einen Eiskiosk betreibt und niemanden um Erlaubnis fragen muss, hat es schwierig: Die Webseite ist wahrscheinlich von einer entfernten Verwandten oder einer Agentur gestaltet worden. Vor einer Änderung müsste man die Zugangsdaten wiederfinden. Falls man sie überhaupt bekommen hat. Dann müsste man sich an die Anleitung erinnern, die damals mit der Webseite mitgeliefert wurde: So kannst du später ganz einfach Änderungen selbst einbauen. Wenn man an einem dieser Schritte scheitert oder Angst hat, etwas kaputtzumachen, muss man eine mutigere Person oder die Agentur um den Einbau der Änderungen bitten, ach, egal, dann stehen die geänderten Öffnungszeiten eben nicht auf der Seite.
Das ist einer der seltener erwähnten Gründe, warum die Social-Media-Plattformen eine wichtige Neuerung waren: Hier konnten alle in ihrem Privatleben ungeplant und nebenbei lernen, wie man Dinge im Internet veröffentlicht und wodurch sich ein langweiliges Update von einem interessanten unterscheidet. Wenn dieselben Aufgaben dann im Beruf auftauchen, gibt es zumindest einige Leute im Unternehmen, die schon wissen, wie es geht. Sie haben die App sowieso auf ihren Geräten, und sie öffnen sie mehrmals täglich freiwillig. Die Social-Media-Plattformen bieten einen simplen Einwurfschlitz für aktuelle Mitteilungen. Wenn man nicht weiß, wie es geht, kann man einfach irgendjemanden fragen, anstatt die IT-Abteilung zu bemühen. Diese Vorteile fehlen der RSS-Zukunft, die Murphy sich wünscht.
Das einfachere Veröffentlichen ist der Grund, warum auf der Webseite noch die Veranstaltungen von 2017 angekündigt werden und alles andere bei Facebook steht. Es ist auch der Grund, warum Auskünfte zu Covid-Impfungen, Impfstoffverfügbarkeit, Terminen und Wartezeiten 2021 und 2022 leichter in den sozialen Medien zu bekommen waren als dort, wo sie eigentlich zu erwarten gewesen wären. Wenn das nur daran gelegen hätte, dass man in den sozialen Medien mehr Menschen erreicht, wären die Informationen dort zusätzlich veröffentlicht worden und nicht in vielen Fällen ausschließlich .
So ist der Zustand in der Gegenwart. In zehn Jahren wird die Welt anders aussehen und wir werden uns hoffentlich kaum noch daran erinnern, wie lästig es war, dass man damals, 2023, auf der Suche nach aktuellen Informationen alle Social-Media-Plattformen absuchen (und zu diesem Zweck natürlich auch bei allen angemeldet sein) musste. Aber auf welchem Weg wir von der Gegenwart in diese Zukunft gelangen werden: Das steht in dieser Kolumne leider nicht drin. Vielleicht ja irgendwo bei Instagram.
