Zum Tod von Helmut Berger: Schönheit und Exzess

Zum Tod des großen, glamourösen Schauspielers Helmut Berger.
Als Helmut Berger 2013 das voyeuristische Selbstdarstellungsformat „Ich bin ein Star – holt mich hier raus“, besser bekannt als „Dschungelcamp“, nach nur zwei Tagen wieder verließ, sprach das Nachrichtenportal Spiegel-online von der „Chronik eines angekündigten Abstiegs“.
Was für eine Verkennung. Zwar war unübersehbar, dass Helmut Berger körperlich angegriffen wirkte. Seine hinfällige Erscheinung aber verstand er mit dem Witz eines alternden Bohemien zu würzen, dem nichts wirklich peinlich sein kann. Selbstentblößung war für Berger seit jeher eine gehobene Form der Kunst. Die Überschreitung von Grenzen war sein Sujet, bürgerliche Normen waren für einen wie ihn da, geschleift zu werden. Im Dschungelcamp war Helmut Berger, wenn man genau hinsah, anrührend nahbar und unprätentiös. Das Schauspiel ewiger Jugendlichkeit und Schönheit war lediglich in eine andere Phase übergetreten.
Allein schon eine unvollständige Zusammenstellung von Kolleginnen und Kollegen, mit denen Helmut Berger vor der Kamera gestanden hat, macht ihn zur Legende, ohne dass man bereits ein Wort über seine aufreizende Schönheit und Verführungskraft verloren hätte. Im Verlauf der Jahrzehnte arbeitete er zusammen mit Henry Fonda, Elizabeth Taylor, Charles Aznavour, Dirk Bogarde, Charlotte Rampling und vielen anderen. Berger war zuallererst ein Beau, aber in den Panoramen der Visconti-Welt repräsentierte er zugleich eine kraftvoll-intellektuelle Ausstrahlung, die umgehend dazu aufrief, das Gesehene als gesellschaftliches Drama zu deuten.
Helmut Berger wurde 1944 in Bad Ischl im Salzkammergut in eine Hoteliersfamilie hineingeboren, in deren Häusern er als Jugendlicher auch gearbeitet hatte. Ausgestattet mit der Fähigkeit sich durchzuschlagen, ging er Anfang der 60er Jahre nach London, erwarb seinen Unterhalt durch Gelegenheitsjobs und nahm nebenbei Schauspielunterricht. Erste einträgliche Gagen erhielt er als Fotomodell, und nach einem Ortswechsel nach Rom kamen zu den Aufträgen als Modell kleine Filmrollen hinzu.
In Italien erlebte der junge Helmut Berger nicht nur die Glanzzeiten der Filmfabrik Cinecittà, 1964 kam es auch zur einschlägigen Begegnung mit dem Regiestar Luchino Visconti, mit dem Berger vorübergehend auch eine Beziehung führte. Seinen schauspielerischen Durchbruch feierte er in Viscontis „Die Verdammten“, worin er die Rolle des Martin von Essenbeck buchstäblich ausfüllte, die an den als schwul geltenden Krupp-Sohn Arndt von Bohlen und Halbach angelehnt war.
„Die Verdammten“ handelt von einer Industriellenfamilie, die sich durch die Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten wirtschaftlich zu sanieren versucht und sich dadurch auf vielfältige Weise dem Verfall preisgibt. Für Berger war es eine Paraderolle, in der er die Bandbreite zwischen großbürgerlicher Geltungssucht, Laszivität und Dekadenz auszuloten verstand. Es folgten weitere Visconti-Filme wie „Der Garten der Finzi Contini“, aber längst war Berger auch für andere Regisseure interessant geworden, etwa für Massimo Dallamanos „Das Bildnis des Dorian Gray“ nach Oscar Wilde.
Zwischen Schönheit und Exzess war Helmut Berger das Gesicht der sexuellen Revolution der frühen 70er Jahre, die sich auf betont glamouröse Weise der Bisexualität widmete, die Berger verkörperte wie sonst vielleicht nur der angehende Popstar David Bowie, der sich dazu seiner Kunstfigur Ziggy Stardust bediente. Berger wurde zum geliebten und gefürchteten Celebrity-Phänomen seiner Zeit. Man sagte ihm Affären nach mit dem Tänzer Rudolf Nurejew, den Schauspielerinnen Marisa Mell und Anita Pallenberg, aber auch dem späteren Ehepaar Bianca und Mick Jagger. Sexuelle Experimentierlust war Pop, und Helmut Berger war einer ihrer glamourösesten Repräsentanten.
An künstlerischer Ernsthaftigkeit aber hat es ihm nie gemangelt, obwohl es bis zum Jahr 2018 dauerte, ehe er an der Seite von Ingrid Caven sein Schauspieldebüt als dahinsiechender Baron gab in dem Stück „Liberté“ von Albert Serra, aufgeführt an der Berliner Volksbühne. Selbstironisch dem Zerfall zu trotzen, war für Helmut Berger eine ebenso kunstvolle Inszenierung wie die Feier jugendlicher Schönheit. Nun ist Helmut Berger im Alter von 78 Jahren in Salzburg gestorben.