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ZDF-Doku und Reportage über Amazon: Jeff Bezos, der Mann, der die Welt verschlang

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Von: Harald Keller

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Jeff Bezos, Gründer von Amazon, ist der reichste Mann der Welt.
Jeff Bezos, Gründer von Amazon, ist der reichste Mann der Welt. © Michael Nelson/dpa

ZDFzoom: Eine Reportage und eine Dokumentation schauen hinter die Kulissen des Internet-Konzerns von Jeff Bezos.

Mainz - Da hat Gene Roddenberry einiges angerichtet. Roddenberry ist der Vater der „Star Trek“-Serien, und der junge Jeff Bezos zählte zu deren größten Fans. Bezos wurde Informatiker, arbeitete an der Wall Street und kam auf die Idee, einen Internet-Buchhandel aufzuziehen. Er begann in einer Garage in Seattle mit drei Mitarbeitern und taufte das Unternehmen nicht, wie ursprünglich geplant, Relentless – Unerbittlich –, sondern merklich wohlklingender Amazon. Heute gilt er als reichster Mann der Welt und ist in jedem Fall einer der mächtigsten. Amazon verkauft mittlerweile alles, Waren aller Art, Spielfilme und Serien, auch Datenspeicherraum für große Unternehmen wie Netflix, Uber, Airbnb und für Regierungsinstitutionen wie den US-Geheimdienst CIA.

Amazons Erfolg gründet im Wesentlichen auf der konsequenten Auswertung der Kundendaten. Von Anbeginn wurde jedes Kaufverhalten eingehend analysiert, in fünfhundert Eigenschaften zerlegt, jede Eigenschaft mit einem Stichwort bezeichnet. Aus der Zuteilung dieser Stichwörter ergibt sich ein Profil, das mehr über die betreffende Person aussagt, als vielen Amazon-Kunden bewusst ist. Es ermöglicht Rückschlüsse beispielsweise auf das Urlaubsverhalten, auf Abwesenheiten, auf den Gesundheitszustand, auf die politische Einstellung, auf sexuelle Präferenzen und vieles mehr. Die Daten sind eine nie versiegende Ressource, ein wahrer Schatz, nicht nur für Internet-Händler. Er erlaubt auch, wie die Affäre um das Datenanalyseunternehmen Cambridge Analytica zeigte, die Beeinflussung der öffentlichen Meinung.

ZDF-Reportage im TV: Amazons Alexa überwacht das eigene Wohnzimmer

Der Investigativjournalist Matthew Hill aus dem Team der britischen Sendereihe „Panorama“ konzentriert sich in seiner ZDF-Reportage auf diese Datensammelwut des allwissenden Weltkonzerns Amazon, der sich mit dem Erreichten noch lange nicht begnügt. Der Sprachcomputer Alexa hat weite Verbreitung gefunden. Und er macht es möglich, die Besitzer abzuhören. Angeblich reagiert das Gerät nur auf Stichworte, um dann entsprechende Werbeangebote zu unterbreiten. Tatsächlich aber wurde nachgewiesen, dass auch Amazon-Mitarbeiter am anderen Ende der Leitung sitzen. Was viele Bürger in Fragebögen nur unwillig oder gar nicht ausfüllen, fällt Amazon dank Alexa in den Schoß.

Alexa und Amazon lauschen mit.
Alexa und Amazon lauschen mit. © Britta Pedersen/dpa

Angeblich ließ sich Jeff Bezos vom Bordcomputer des Science-Fiction-Raumschiffs „Enterprise“ zu Alexa inspirieren. Kritischen Beobachtern kommt da eher George Orwells Dystopie „1984“ in den Sinn, zumal Amazon versuchsweise auch schon visuelle Überwachungssysteme in Umlauf gebracht hat. Wieder verfiel das Unternehmen auf einen brillanten Kniff: Es versorgte die Polizeiinspektion im britischen Suffolk kostenlos mit „Ring“-Klingelsystemen, die eine Kamera enthalten.

ZDF: Auch die Amazon-Lieferdrohnen haben Kameras und können spionieren

Die Polizei gab die Apparate weiter, die Nachbarn der Beschenkten kauften, dank der Mitwirkung der Polizei vom Nutzen der Geräte überzeugt, dann ebenfalls ein System. Die Vision, je nach Einstellung wünschenswert oder erschreckend, geht dahin, ein umfassendes Überwachungssystem zu installieren, um Verbrechen vorzubeugen, respektive schnell aufklären zu können. Und wo die Kameras des „Ring“-Systems nicht hinreichen, kommen die ebenfalls in Erprobung befindlichen Amazon-Lieferdrohnen ins Spiel. Die ebenfalls mit Kameras bestückt sind.

Lieferdrohne von Amazon: Datenschutz ist ein Fremdwort.
Lieferdrohne von Amazon: Datenschutz ist ein Fremdwort. © picture alliance/Jordan Stead/Amazon/AP/dpa

Das ZDF zeigt im Rahmen der Reihe „ZDFzoom“ eine kondensierte Dreißig-Minuten-Version der ursprünglich sechzigminütigen Reportage. Eine umfänglichere Dokumentation und empfehlenswerte Ergänzung folgt am 18. September um 20:15 Uhr auf ZDF Info. In „Weltmacht Amazon“, produziert für den nicht-kommerziellen US-Sender WGBH, wird der Moloch gründlich durchleuchtet. Die Überwachungstechnologie ist nochmals Thema, dann auch das Monopolstreben, die Ansiedlungspolitik und das Verhalten gegenüber kleineren Marktteilnehmern, die unternehmensintern als „Gazellen“, meint: als leichte Jagdbeute, bezeichnet werden. Der Autor James Jacoby untersucht die Arbeitsbedingungen und Amazons Gesichtserkennungstechnologie, beschreibt Jeff Bezos verwegene Weltraumpläne auf den Spuren von „Star Trek“ und berücksichtigt die Produktion von Filmen und Serien.

Serien und Vorteile binden an Amazon Prime

So manche Eigen- oder Koproduktion der Amazon Studios konnte Kritikerlob und renommierte Preise erlangen. Aber Jeff Bezos agiert auf diesem Felde nicht aus Liebe zur Filmkunst, sondern strategisch. Sein Credo: „Jeder Golden Globe hilft, mehr Schuhe zu verkaufen.“ Serielle Formate binden die Nutzer an den Abonnementdienst Amazon Prime, der zusätzlich Vorteile beim Fernkauf gewährt. Ein Aspekt, der in einer von Kontexten befreiten, rein konsumptiv ausgerichteten Fernsehkritik jüngerer Prägung viel zu häufig unbeachtet bleibt. (Von Harald Keller)

„ZDFzoom: Datenkrake Amazon. Die dunkle Seite des Online-Riesen“, Mittwoch, 9.9., 22:45 Uhr, ZDF
„Weltmacht Amazon – Das Reich des Jeff Bezos“, Freitag, 18.9., 20:15 Uhr, ZDF Info

Nicht die einzige Dokumentation, die gerade anläuft. „Mensch Beckenbauer!“ läuft ebenfalls beim ZDF im TV. Die Kritik.

Jeff Bezos Konzern steht momentan wegen einer anderen Sache am Pranger. Amazon empfiehlt nämlich Bücher von Verschwörungstheoretikern, Rechtsextremisten und Holocaustleugnern.

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