„Weimar weiblich“ im Filmmuseum Frankfurt: Das Gespür der Frauen für Film

Die große Ausstellung „Weimar weiblich“ im Deutschen Filmmuseum in Frankfurt blickt höchst anregend auf „Frauen und Geschlechtervielfalt im Kino der Moderne (1918-1933)“.
Was fällt uns eigentlich ein? Wenn wir an die Frau im Film von einst denken? Seien wir ehrlich, eine Telefonzentrale fällt uns ein, Löcher in Regalwänden fallen uns ein und eine variierende Zahl von Frauen, die Kabelstecker von einem Loch ins andere Loch stecken, „verbinde!“ Kein Mann unter den Steckerinnen. Der Mann steht irgendwo in einer Telefonzelle, die halbe Stadt hinter ihm her, Held, der gefährliche Dinge zu erledigen hat.
Ein solches Bild findet sich selbstverständlich in der Ausstellung „Weimar weiblich – Frauen und Geschlechtervielfalt im Kino der Moderne (1918-1933)“, die das Deutsche Filminstitut und Filmmuseum in Frankfurt von diesem Mittwoch an zeigt. Es ist ein kleines Bild aus dem Film „Zigeuner der Nacht“ (so würde heute auch kein Film mehr heißen, ob ihn nun ein Mann oder eine Frau gedreht hat), Regie Hanns Schwarz, Deutschland 1932.
Ein anderes Bild in der Schau, um gleich etwas Spektakuläres gegenüberzustellen, zeigt das Filmplakat „Kampf der Geschlechter“ (1926), Untertitel: „Die Frau von heute in der Ehe von gestern“. Eine derbe Szene auf dem Plakat, offenbar hat der Mann im Kampf der Geschlechter die Oberhand, noch ist die Frau unten, aber das ändert sich – darum geht es ja in dieser Schau.
Das Äußere der Frau ändert sich in den 1920er Jahren, ihre Präsenz in der Gesellschaft wächst und damit ihre Präsenz im Film. Die Ausstellung zeigt das in verschiedenen Abteilungen mit einer erstaunlichen Vielzahl an Exponaten, Fotos, Filmausschnitten. Den Impuls dazu fand Museumsdirektorin Ellen Harrington in einer Schau über Film in der Weimarer Republik, die die Berliner Deutsche Kinemathek vor fünf Jahren in Bonn und Berlin zeigte. Ein Teil damals: die Geschlechtervielfalt im Film, „ein Thema, das mir besonders am Herzen liegt“, sagt Harrington.
Den Aspekt jetzt groß herauszustellen – und die Ausstellung ist tatsächlich groß –, das eröffne „einen Blick, der überfällig war“, sagt Kinemathek-Direktor Rainer Rother. Die Leistung sei, nicht mehr hinzunehmen, was als Kanon des Films jener Zeit galt.
Was das bedeutet, erklären die Kuratorinnen der Ausstellung, Daria Berten (Frankfurt) und Kristina Jaspers (Berlin). Es habe eben deutlich mehr Protagonistinnen gegeben, viel mehr Diversität im Filmgeschäft, als bekannt. Ein Krimi wie „Der Mann mit dem Laubfrosch“ (so dürften heute übrigens gern Filme heißen), Drehbuch von Luise Heilborn-Körbitz, sei ein gutes Beispiel. „Da ist schon der ganze Hitchcock drin“, sagt Kristina Jaspers. Der sogenannte Kanon nehme Filme oft als Werk eines Künstlers, des Regisseurs, zur Kenntnis, sagt Daria Berten, dabei seien daran viele Menschen beteiligt, ein Kollektiv, überproportional viele Cutterinnen, und der Schnitt sei nun mal eine der wichtigsten Baustellen fürs Kino. Dass Frauen ein Händchen dafür haben, das liege nicht nur am Rhythmusgefühl, sagen die Kuratorinnen mit einem Lächeln.
Wenn man hineinkommt in die Ausstellung, stehen und hängen da erst mal Leni Riefenstahl und Kolleginnen als Gemälde oder Skulpturen. In der Vitrine wirbt Marlene Dietrich für Ponds Hautcreme. Asta Nielsen wird mit einer Schleife gefeiert als das „erste Genie der Filmkunst“. Es gibt Fan-Alben mit Fotos und Autogrammen der Schwarzweiß-Ära, erste Homestories entstehen. Neu ist damals der Fotoautomat, reinsetzen, warten, bis es knipst und genau in dem Moment ein dummes Gesicht machen, wer erinnert sich nicht. Für die Frauen der Weimarer Zeit sei es aber die erste Möglichkeit gewesen, sich selbst zu inszenieren, ohne Mann hinter der Kamera, sagt Jaspers.
Die zweite Abteilung zeigt Frauenbilder, im Film: wie sich Frisuren und Kleidung wandeln, wie ein Trend zur Athletik entsteht, den die NS-Zeit später aufgreifen wird, wie Frauen generell stärker werden. Rennfahrerinnen. Aber auch „die Cinderella-Story“ gibt es noch, sagt Berten: die Sekretärin, deren Glück am Ende des Films darin gipfelt, dass sie den Sohn des Chefs heiratet.
Viele Lebensläufe von Frauen im Filmberuf enthält die Ausstellung, etwa von Lotte Reiniger, um nur eine herauszugreifen: Sie ist die Frau hinter dem ersten Animationsfilm der Geschichte „Die Abenteuer des Prinzen Achmed“, lange vor Walt Disney.
Was die Ausstellung ebenfalls thematisiert: Frauen befreiten sich von der Bürde, verschleiern zu müssen, dass sie Frauen lieben oder sogar, dass sie Frauen sind, um mittun zu dürfen. Frauen brachten Themen wie Schwangerschaftsabbruch und Prostitution ins Kino, sie rauchten, tranken, pfiffen im Film – für all das war die Weimarer Zeit eine Zeit des Aufbruchs. Und damit ist längst nicht alles aus dieser Ausstellung erzählt. „So viel kann man kaum bei einem einzigen Besuch aufnehmen“, gibt Daria Berten zu. Vielleicht dann bei mehreren Besuchen, es gibt ja ein Filmprogramm dazu, unter anderem Stummfilme mit Livemusik.
Deutsches Filminstitut und Filmmuseum, Frankfurt: 29. März bis 12. November. www.dff.film