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Verfilmung eines Geiseldramas

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Von: Bernd Peters

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Eine Filmszene ? die Geiselnehmer in der Kölner Innenstadt.
Eine Filmszene ? die Geiselnehmer in der Kölner Innenstadt. © ARD Degeto/Ziegler Film/Martin Valentin Menke

Der ARD-Zweiteiler "Gladbeck" ist wuchtig und bedrückend - und zu "nahezu 100 Prozent" belegt.

Dieser TV-Zweiteiler war ein echtes Geheimprojekt: „Gladbeck“, die Verfilmung des Geiseldramas von 1988 unter der Regie von Kilian Riedhof. Vier Jahre dauerte die Vorbereitung. Bis zur Ausstrahlung am heutigen Mittwoch und Donnerstag zur Hauptsendezeit hielten die ARD und die Produktionsfirma Ziegler-Film aber fast alles unter Verschluss.

Der „Kraftakt“, wie Produzentin Regina Ziegler es heute nennt, greift (und wühlt) ein aufsehenerregendes Verbrechen der deutschen Nachkriegsgeschichte auf, das sowohl medienethisch als auch polizeitaktisch bis heute diskutiert wird. Zwei Männer, Hans-Jürgen Rösner und Dieter Degowski, die nach einem Bankraub Geiseln nehmen und mit ihnen durch das halbe Land reisen – ohne dass sie jemand stoppt. Berichterstatter, die ihnen eine Plattform geben, mit ins Auto steigen – und teilweise die Ermittlungen behindern. Eine Polizei, die dilettantisch agiert – und am Föderalismus von Behörden scheitert. Und vor allem zwei junge Geiseln, Silke Bischoff (18) und Emanuele di Giorgi (15), die getötet werden. Die Nation war so schockiert wie ihre Behörden hilflos.

„1988 hat mich dieses Ereignis extrem betroffen“, sagte Regina Ziegler. „Ich konnte nicht glauben, dass so etwas möglich ist. Ich weiß noch: Es war der heißeste Sommer seit Jahren. Diese Angstodyssee, die 54 Stunden gedauert hat, hat mich nicht mehr losgelassen.“

Sender und Produktionsfirma befürchteten von Anfang an, die Beteiligten könnten sich wehren. Deshalb wurde der Anwalt Christian Schertz früh eingebunden. „Er hat die rechtliche Absicherung übernommen“, so Autor Holger Karsten Schmidt („Auf kurze Distanz“). „Wir haben gesagt, wir stellen nur das dar, was belegt ist. Die Dialoge sind zu nahezu 100 Prozent dokumentiert, selbst Gespräche aus dem Fluchtwagen, weil der verwanzt war.“

Das machte die filmische Aufarbeitung leichter, verhinderte aber nicht, dass Rösner vor dem Oberlandesgericht Köln klagte: Er wollte die Ausstrahlung verhindern. Die Richter wiesen den Antrag ab. Sein Anwalt erklärte aber, sein Mandant werde „den ARD-Zweiteiler kritisch beobachten, um gegebenenfalls im Nachgang juristische Schritte zu unternehmen“. Auf eine öffentliche Premiere oder andere Vorab-Vorführungen verzichteten die Macher deshalb auch. Nur die Beteiligten und ein Dutzend Journalisten durften ihn bei zwei Terminen in Hamburg und Berlin sehen. Ziegler betont aber: „Ich hatte nie die Befürchtung, dass Herr Rösner die Ausstrahlung aus rechtlichen Gründen verhindern könnte. Seine Taten sind damals durch alle Medien gegangen, das kann man jetzt nicht verschweigen. Wenn diese beiden Täter keine Personen des öffentlichen Lebens sind, wer dann?“

„Gladbeck“ ist so wuchtig wie bedrückend. Der Film entwickelt seine Dramatik langsam, aber umso wirkungsvoller, macht Kleinigkeiten höchst wirkungsvoll zu Symbolen. Die Schauspieler – vorneweg Sascha Alexander Gersak und Alexander Scheer als Rösner und Degowski – spielen intensiv. Es tut zeitweise fast physisch weh, ihnen zuzusehen. „Am Anfang hatte ich schon meine Zweifel, ob ich die Rolle annehmen soll“, sagt Gersak: „Ich habe mich einfach gefragt, ob ich diesem Menschen und damit diesem Verbrechen noch mal eine Plattform geben soll. Aber Kilian Riedhof stellt nicht die Täter, sondern die Opfer in den Vordergrund.“

Das ist tatsächlich so. Die Momente, in denen die Eltern beziehungsweise Großeltern von Emanuele und Silke (gespielt von Zsá Zsá Inci Bürkle) die Todesnachricht bekommen, berühren zutiefst. Die Macher des Films haben mit Hinterbliebenen zusammengearbeitet, sie kommen auch in der Dokumentation zu Wort kommen, die im Anschluss an den zweiten Teil läuft. „Ich wollte, dass die Hinterbliebenen mit einbezogen werden, das ist einfach eine Frage des Anstands, wenn man wahre Ereignisse in fiktionaler Form aufbereitet“, sagt Autor Schmidt. „Die Mutter von Silke Bischoff hat den Film inzwischen gesehen, und Frau Ziegler steht seit Jahren mit ihr in Kontakt.“

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