„Unterm Birnbaum“, ZDF: Es kommt doch alles an die Sonnen

Zu Theodor Fontanes 200. Geburtstag zeigt das ZDF „Unterm Birnbaum“ als Edelausgabe des Montagabendkrimis.
Stilvoll bietet das ZDF am heutigen 200. Geburtstag von Theodor Fontane keinen Kostümfilm, sondern einen Montagabendkrimi, der das zeitlose Können des Jubilars geradezu beschämend unter Beweis stellt. Nach dem „Club der singenden Metzger“ in der ARD ist zudem zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage Gelegenheit, einen herausragend dezent und intensiv inszenierten Film von Uli Edel im Fernsehen zu sehen (der parallel zum „Club“ schon auf Arte lief). Auch hier wird eine opulente Besetzung aufgeboten, auch hier wird aus den Stars durch die Personenführung Edels und erneut unter dem Kameramann Hannes Hubach ein ausgezeichnetes Ensemble.
„Unterm Birnbaum“ war ein Erfolg
„Unterm Birnbaum“ aus den 1880er Jahre gilt dabei keineswegs als Meisterwerk, denn ein solches konnte eine Kriminalgeschichte per se nicht sein – ein beharrliches Vorurteil –, aber der Erfolg beim Publikum war natürlich durchschlagend. Bis heute werden Kinder so zu kleinen Fontane-Leserinnen und -Lesern gemacht, und interessanterweise ist es den Erziehungsberechtigten an dieser Stelle gleichgültig, ob diese fortan böse Träume haben und keine Keller mehr betreten.
Fontane ließ sich aus verschiedenen Quellen anregen, Fällen, von denen er gehört hatte, einem interessanten Leichenfund aus den vermischten Nachrichten, auch ein bestimmtes Gasthaus als Tatort schwebte ihm vor, und es ist unwahrscheinlich, dass ihm Aufstieg und Fall des Ehepaars Macbeth beim Schreiben nicht gegenwärtig waren. Denn gute Erzählkonstruktionen überdauern Zeiten und Gesellschaftsformen. Mag bei Fontane Pfarrer Eccelius Frau Hradschek gut leiden, weil sie für ihren Mann die Konfession gewechselt hat, so ist es nun ihr Engagement für eine neue Kirchenglocke, die Boris Aljinovic bis zum bitteren Ende auf Julia Koschitz vertrauen lässt.
Der Plan funktioniert reibungslos
Es bedarf geringfügigster Abänderungen, um die psychologischen Verstrickungen aufrechtzuerhalten. Drehbuchautorin Léonie-Claire Breinersdorfer greift entsprechend zurückhaltend ein, manchmal – am Ende – wäre das vielleicht sogar nicht nötig. Weil aber „Unterm Birnbaum“ selbst patchworkhafte Züge trägt, stört das nicht. Im Gegenteil. Die meisten Details sind ohnehin bloß anregende und schillernde Dekoration rund um einen unerbittlichen Kern. Für das Lese- und Fernsehpublikum ist es keinen Moment ein Geheimnis, dass die Hradscheks, schuldlos schuldig in einen finanziellen Engpass geraten, mit einem ausgeklügelten Mord ihre Probleme lösen wollen. Der Plan ist wirklich gut und funktioniert auch reibungslos. Wie bei Shakespeare bekommt die Frau es jedoch im Nachgang mit den Nerven zu tun. Julia Koschitz, deren Ursel Hradschek eine sogenannte Vergangenheit hat, verfällt zusehends. Der Verlust eines Kindes liefert auch im Film die Unterlage für ihre psychische Labilität, hier ist sie zudem tablettenabhängig gewesen und wird es nun wieder. Abel Hradschek, der düstere, sehr wackere Fritz Karl als wahrhafter Macbeth, hält länger durch.
Weder Fontane noch Breinersdorfer und Edel lassen sich auf die moralische Dimension ein. Der Gemordete interessiert nicht weiter, das Schuldproblem braucht weder eine göttliche noch eine gesetzliche Berechtigung. Der Mensch, zuerst die Frau, dann auch der Mann, ist einfach nicht in der Lage, mit einer solchen Tat dauerhaft getrost zu leben. Vermutlich wäre es einfacher gewesen, wenn die Leiche sich nicht im Keller des Grauens befände. Im Fernsehen gärt es geradezu hinter der Wand, zum Verrücktwerden.
Umständlichkeiten werden bemüht
Die Enge in der Weite des Oderbruchs wird trefflich eingefangen. Da ist so viel Platz, und doch hängt einem die Nachbarin auf der Pelle. Schon wieder schaut Frau Jeschke aus dem Fenster. Katharina Thalbach wird begleitet von Enkeltochter Nelli Thalbach als Nichte, die Familienähnlichkeit ist wieder ein Spaß. Katharina Thalbach, die leider, aber vielleicht realistischerweise als einzige eine Spur (Berliner) Dialekt ins Spiel bringt, übernimmt übrigens den Schlusssatz: „Es ist nichts so fein gesponnen, ’s kommt doch alles an die Sonnen“, den bei Fontane noch Pfarrer Eccelius niederschreibt. Auch hier zeigt sich noch einmal, wie gescheit das Buch mit dem Text umgeht: Nur die alte Jeschke könnte noch einen solchen Spruch auf Lager haben.
Der schon bei Fontane denkbar penetrante Polizist Geelhaar ist allürenfrei der ehemalige Tatort-Ermittler Devid Striesow. Wer im feiertäglichen Müßiggang hinterher gleich noch einen herkömmlichen Tatort anschaut, wird womöglich staunen über die Umständlichkeiten, die dort bemüht werden müssen, um ein bisschen Spannung zu erzeugen.
„Unterm Birnbaum“, ZDF, Mo., 20.15 Uhr.
Heino Ferch und Barbara Auer ermitteln wieder in Nordholm, diesmal im Fall des „Mädchens am Strand“.