Für Lindners und Spahns Vorschlag hagelte es Kritik von den Anwesenden. Das sei eine Maßnahme, die nicht zielführend genug sei und Wohlhabendere genauso begünstige, wenn sie ihnen nicht überhaupt in erster Linie nütze, meinte Thomas Kutschaty von der SPD. Er sei vom Vorstoß seiner Partei überzeugt, die ein „Mobilitätsgeld“ vorsehe, das an die Höhe des Einkommens gekoppelt sei. Arbeitgeber würden dieses direkt auszahlen, für ein Gehalt von bis zu 2000 Euro gäbe es einen Bonus von 50 Euro, von bis zu 3000 Euro 35 Euro, von bis zu 4000 Euro 20 Euro. Frank Plasberg äußerte in seiner Sendung „Hart aber fair“ in der ARD Bedenken an der Praktikabilität der Idee, da beispielsweise Selbstständige oder alle, die aus anderen Gründen keinen Arbeitgeber haben, erstmal in Vorkasse gehen müssten.
„Hart aber fair“ (ARD) vom 21.03.2022 zum Krieg in der Ukraine und den Folgen. Wird Energie unbezahlbar? Die Sendung in der ARD-Mediathek.
Es sei aber auf jeden Fall ein gerechteres System, bestätige auch die Energie-Expertin und Wissenschaftlerin Claudia Kemfert, denn mit Spahns Vorschlag spiele man in erster Linie den Mineralölkonzernen in die Karten, deren Margen ins Horrende steigen würden. Kemfert stach mit ihrer Argumentation während des Abends bei „Hart aber fair“ in der ARD ein paar Mal ins Wespennetz. Sie hatte an mehren Fronten zu kämpfen. Nicht nur Spahns, sondern zuweilen auch Plasbergs Geduld stellte sie insofern auf die Probe, als sie nicht müde wurde zu wiederholen, dass die aktuelle missliche Lage Deutschland in der Energiefrage am politischen Versäumnis liege, die Energiewende verschleppt zu haben. Hätte man rechtzeitig in erneuerbare Energien investiert, wäre man heute nicht so abhängig von russischem Öl. Dem stimmte der NRW Ministerpräsidentenkandidat Kutschaty zu: „Wir haben uns in Putin getäuscht.“ Man habe sich zu abhängig von Wladimir Putin gemacht, so der SPD-Politiker.
Alle möchten energietechnisch „putinfrei“ werden, konterte Spahn, doch das sei nur eine mittelfristige Option. Zwischen Ulrich Reitz, dem Chefkorrespondenten von „Focus online“, und Kemfert kam es zum Streit, weil Reitz vorschlug, die Atomkraftwerke in Deutschland angesichts der aktuellen Situation und aufgrund des Ukraine-Konflikts länger laufen zu lassen. Kemfert war kategorisch dagegen: „Das bringt nichts.“ Was man jetzt tun müsse, abgesehen von Investitionen in erneuerbare Energien, wie sie noch einmal wiederholte, sei sparen. Sie konnte das Wort kaum aussprechen, als Holtkotte in die Luft ging. „Mein ganzes Leben besteht aus sparen“, stieß sie hervor. Das Auto stehen lassen könne sie nicht, denn auf dem Land, wo sie wohne, gebe es zum einen keine entsprechende Infrastruktur, zum anderen sei der öffentliche Verkehr auch nicht günstiger. „Autofahren ist nicht immer teurer als der öffentliche Verkehr“, sagte sie bei „Hart aber fair“ in der ARD.
Kemfert versuchte, den Anschluss wiederzufinden und ergänzte, dass sie vor allem meine, es biete sich jetzt die Gelegenheit, Verschwendung einzudämmen. „Mit einem verkehrsfreien Sonntag und einem Tempolimit kann man 5 bis 8 Prozent unabhängiger vom russischen Öl werden.“ Wenn es einen Punkt gab, in dem sich alle Gäste bei Plasberg einigten, war es die Dringlichkeit, sich von Russland zu emanzipieren. Doch die Methoden und möglichen Kompromisse, die das bedarf, sind nicht für alle gleich vertretbar. Die einen befürworten die getroffenen Sanktionen im Rahmen des Ukraine-Krieges, bedauern aber die daraus resultierenden erhöhten Energiepreise. Bei dem Gedanken, dass man sich stattdessen von einem nicht weniger „problematischen“ Staat wie Qatar beliefern lassen will, wie es jüngste Verhandlungen der Bundesregierung nahelegen, möchte man „mit dem Kopf schütteln“, wie es Susanne Holtkotte ausdrückte, „das kann doch kein normaler Mensch wollen“. (Teresa Vena)