TV-Richterin Ruth Herz: Eine respektierte Frau
Die TV-Richterin Ruth Herz ist im Alter von 79 Jahren gestorben
Sie war das Aushängeschild einer fiktiven Gerichtsshow: „Das Jugendgericht“ lief von 2001 bis 2007 bei RTL. Die TV-Richterin Dr. Ruth Herz erlaubte nicht nur einen Blick hinter die Kulissen, sie war auch ein Paradigma für den fairen und respektvollen Umgang mit Jugendlichen. Das sorgte für viele Sympathien im TV-Publikum. Sie hatte es mit jungen Leuten zwischen 14 und 21 Jahren zu tun, die Schlägereien zu verantworten hatten, Autodiebstahl oder Handtaschenraub. Ruth Herz wusste aus eigener Erfahrung, wie schwierig Lebenswege sein können. Denn ihre Biografie war ungewöhnlich. Die Lebenserlebnisse hatte sie in dem Buch „Recht persönlich“ zusammengetragen.
Ihre jüdischen Eltern ergriffen 1933 aus Breslau die Flucht vor den Nazis, die zu Beginn des Jahres die Macht in Deutschland übernommen hatten. Der Vater war Rudolf Pick, Rechtsanwalt in Düsseldorf, wie viele ihrer Vorfahren die Jurisprudenz schätzten. „An Feiertagen, wenn die Familie zu den festlichen Mahlzeiten zusammenkam, saßen nicht weniger als 17 Juristen am Tisch“, schreibt sie in ihrer Biografie. Die Mutter gehörte einer der Gründerfamilien der Stadt Tel Aviv an. Nur weil sie Juden waren, mussten sie alle ihre Berufe aufgeben und das Land verlassen, das für sie ganz selbstverständlich die Heimat war.
Dennoch kehrte ihr Vater als Teil der britischen Besatzungsarmee 1950 zurück. Er war zuständig für die Rückgabe von jüdischem Eigentum und später Anwalt in den Frankfurter Prozessen. Entschlossenheit zählte zu den Eigenschaften ihrer Familie und von Ruth Herz. Zunächst absolvierte sie eine Ausbildung zur Dolmetscherin, dann studierte sie in Genf, München und Köln Rechtswissenschaften. Sie wurde nach ihrer Promotion an der Universität zu Köln 1974 zur Richterin vereidigt.
Ein großer Tag sei das für sie gewesen. Da ihr die Robe zu groß war und über die Füße reichte, habe der Kammervorsitzende im ernsten Ton zu ihr gesagt: „Sie werden noch hineinwachsen müssen.“ Sie habe das nicht so verstanden, als ob er ihr Mut habe machen wollen, schreibt sie.
Die Justiz in den 1970er Jahren war eine reine Männerwelt. „Seine Äußerung schien mir eher ein Ausdruck seiner Skepsis darüber, ob eine sehr junge Frau dieses Amtes würdig sei.“ Aber das sollte sich in den nächsten Jahren ändern.
Als Ehefrau und Mutter zweier Kinder hatte man es ihr nicht einfach gemacht, „ich wollte nicht abseits stehen“, sagte sie über ihre Rolle in der Frauenemanzipationsbewegung, „die hatte viele Frauen ermutigt, gegen die Übermacht der Männer zu kämpfen“. In ihrer Familie sei Gleichberechtigung selbstverständlich gewesen. In der Berufswelt dagegen nicht. „Der Richterberuf ist für eine Frau nicht immer einfach“, heißt es in ihrer Biografie. „Als Frau wird man immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert. ,Sie sind Richterin? Sie sehen gar nicht so aus. Richter habe ich mir ganz anders vorgestellt‘.“
Ruth Herz war auch auf akademischem Feld erfolgreich. Am Birkbeck College der University of London hatte sie eine Gastprofessur inne. Als Visiting Fellow lehrte sie an der Princeton University, als Research Associate an der Universität von Oxford. Mit ihrem früheren Ehemann Thomas Herz hatte sie zwei Kinder, Daniela Herz und den Architekten der Synagoge in Mainz, Professor Manuel Herz. Im Jahr 2000 heiratete sie den Oxford-Professor Gabriel Gorodetsky, der die „Maiski-Tagebücher“ (C.H. Beck) herausgab, die von dem Kampf eines russischen Diplomaten gegen Hitler handeln.
Ruth Herz ist, wie jetzt bekannt wurde, bereits am vergangenen Wochenende im Alter von 79 Jahren gestorben.