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ZDF-Talk: Grünen-Bashing à la Markus Lanz

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Von: D.J. Frederiksson

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Da nun auch Markus Lanz in die Phase Zwei der Corona-Krise eintritt, versucht er eine Rückkehr zur Normalität – manche seiner Gäste sind da anderer Meinung. Die Kritik.

So könnte sie aussehen die „neue Normalität“ im abendlichen Talk-Fernsehen. Zu Beginn darf ein Epidemiologe eine Anstands-Viertelstunde mahnen und analysieren und sich beschweren, dass seine Zunft nun „von der Politik zur Seite geschoben“ wird – dann wird er schnell zur Seite geschoben, damit man endlich wieder über Politik diskutieren kann.

Und da lag das einzige streitbare Thema des Abends: Soll man nach der Krise weitermachen wie bisher? Oder lieber das Chaos als Chance nutzen, um nachhaltiger, klüger und besser zu leben? Ob diese Diskussion zu früh ist und die Gefahr noch mitten unter uns, wie der Virologe Dr. Martin Stürmer anfangs warnt – voll egal. Dass sich da eine „Pegida-ähnliche“ irrationale Volkswut aufstaut – finden alle doof, gibt keinen Diskussionsstoff.

Markus Lanz im ZDF: Zurück auf Start in der Corona-Krise

Markus Lanz vertritt offensichtlich das Lager „Bitte wieder alles so, wie es war“ – zumindest kurbelt er seine alten Polit-Themen wieder an, als wäre nichts gewesen. Hat die Kanzlerin von den Regierungschefs der Bundesländer kapituliert oder sind ihr diese „in den Rücken gefallen“? Die Bürgermeisterin von Langeoog Heike Horn beschwert sich über Unklarheiten und Chaos bei den lokalen Verordnungen, und Lanz prangert an. Endlich wieder Politikbetrieb, endlich wieder Parteipolitik.

Und dazu gehört für Lanz leider seit jeher auch das eindringliche Grünen-Bashing. Kein Wunder, dass der Bundesvorsitzenden Robert Habeck als einziger Parteipolitiker eingeladen war und sich für allerhand rechtfertigen sollte. Dafür musste Lanz aber wirklich tief buddeln, schließlich sind die Grünen in den letzten Monaten vor allem dadurch aufgefallen, dass sie eben nicht aufgefallen sind, sondern, wie Habeck es schön ausdrückt, nicht Opposition um der Oppositions Willen sein wollten. Lanz reitet lange auf den haarsträubenden Aussagen des Tübinger Bürgermeisters Boris Palmer herum, von denen sich Habeck und die restliche Partei längst distanziert haben, sucht nach Spaltungen zwischen Habeck und BaWü-Ministerpräsident Kretschmann und beschwört mühsam einen internen Parteistreit herauf: „Gibt es da Konsens bei den Grünen?“ Habeck erwidert beinahe stolz: „Es gibt nie Konsens bei den Grünen.“

Markus Lanz (ZDF): Ein kluger Schlagabtausch als Höhepunkt der Talkrunde

Wesentlich kompetenter kann die Politik-Ressortleiterin der „Welt“ Claudia Kade mit dem Grünen-Chef diskutieren – der kluge, konstruktive Schlagabtausch dieser beiden ist der qualitative Höhepunkt der Sendung. Während Lanz Habecks Forderung nach klaren Reform-Bedingungen für die Industrie-Rettung der Bundesregierung noch als übergriffigen Irrsinn hinstellen will, klärt Kade kühl auf, dass alle Parteien die Krise als Chance zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele nutzen will – Söder will die Umweltauflagen streichen, die Grünen wollen sie eben verschärfen. Die Frage ist nur: Soll man „erst das Feuer löschen, und dann erst schauen, wie man den Dachstuhl wieder aufbauen will“ (Kade)? Oder muss man „jetzt die Bedingungen stellen, wo doch gerade das Geld verteilt wird“ (Habeck)?

Markus Lanz im ZDF: Endlich wieder Politikbetrieb statt Corona-Krise

Aber je länger man Habeck reden lässt, desto vernünftiger scheint seine Vision. Dass die riesigen Mittel zur Rettung der Autoindustrie dazu dienen könnten, als Brücke zur kompletten E-Mobilität zu dienen, wirkt noch allzu ambitioniert. Aber wenn er Beispiele aus Frankreich und anderen europäischen Nachbarn heranzieht, die ihre Staatshilfen an die Luftfahrt-Industrie an Bedingungen wie finanzielle Transparenz ihrer Steuerausgaben, eine baldige Verringerung der Emissionen und ein Verbot von dicken Manager-Boni und Aktien-Dividenden knüpfen – da wirkt der grüne Plan plötzlich wesentlich nachvollziehbarer als die Aussage des Wirtschaftsministers Altmaier, dass er für solchen Firlefanz keine Zeit hätte.

Soll also alles so bleiben wie bisher oder nutzt man die Krise als Chance für einen Neuanfang? Wenn es nach Markus Lanz geht, soll alles so schnell wie möglich wieder so werden wie immer. Vor allem seine Talkrunde. Endlich wieder Politikbetrieb, endlich wieder leichter Spott über Menschen mit Visionen und, abschließend, endlich wieder ein bisschen Boulevard, in diesem Fall die rein symbolische und völlig vernachlässigenswerte Diskussion über die Rückkehr der Bundesliga. Jetzt muss nur noch der Virologe weg, der am Anfang vor unerkannten Langzeitschäden warnt. Vielleicht wird doch nicht alles wie früher.

Von D.J. Frederiksson

Zu Gast waren Robert Habeck (Grüne), die Journalistin Claudia Kade, der Fußballfunktionär Max Eberl, der Virologe Dr. Martin Stürmer und Lokalpolitikerin Heike Horn bei Markus Lanz im ZDF.

Bei Anne Will im Ersten (ARD) diskutierten die Gäste über die bundesweiten Corona-Proteste. Dabei übertrumpfen sich die Anwesenden gegenseitig im „Nicht-Pauschalisieren“.  

Maybrit Illner fragte im ZDF-Talk am 28. Mai nach der Lieblingstätigkeit der Deutschen: „Reise ins Ungewisse – wie gefährlich wird der Urlaub?“

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