TV-Doku „Mohammed bin Salman und der Fall Khashoggi“ zeigt Trumps Rolle

TV-Kritik: Eine Doku auf Arte blickt hinter die Schlagzeilen um den Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi und liefert aufschlussreiche Erkenntnisse.
- Im Oktober 2018 töteten saudische Geheimagenten den Journalisten Jamal Khashoggi in Istanbul.
- Mehr als zwei Wochen später räumte Saudi-Arabien die Tötung Khashoggis ein.
- Heute weiß man: Khashoggi wurde in der saudischen Botschaft in Istanbul gefoltert und ermordet.
Saudi-Arabien steht derzeit auf der Liste der Länder, denen Deutschland keine Rüstungsgüter liefert. Im März wird über eine Verlängerung oder Aufhebung der Einschränkungen entschieden. Eine zweiteilige Dokumentation auf Arte könnte zur Entscheidungsfindung beitragen. Für die in gemeinnütziger Trägerschaft befindliche US-Fernsehstation WGBH in Boston untersuchte das Autorenteam Martin Smith und Linda Hirsch die Hintergründe des Mordes an dem saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi im Oktober 2018. Der Fall machte wiederholt Schlagzeilen.
Der im Exil lebende Khashoggi hatte sich in Istanbul in das saudische Konsulat begeben, um notwendige Angelegenheiten für seine bevorstehende Hochzeit mit einer Türkin zu regeln. Nach dem Betreten des Gebäudes wurde er nicht wieder gesehen. Die türkischen Behörden begannen zu ermitteln. Saudische Konsulatsmitarbeiter gaben an, Khashoggi habe das Gelände verlassen, und spekulierten, er sei in der Türkei untergetaucht. Sie legten sogar Videoaufnahmen vor, die ihre Darstellung stützen sollten. Doch die türkische Polizei ließ sich nicht täuschen – die Bilder waren gefälscht.
TV-Doku (Arte) über Khashoggi-Mord liefert aufschlussreiche Erkenntnisse
Heute weiß man: Khashoggi wurde gefoltert, ermordet, zerstückelt. In einer gezielten Aktion, von einem eigens eingeflogenen Kommando. Der türkische Geheimdienst besitzt Tonaufnahmen des Verbrechens. In dem Zusammenhang ist von ungeheuerlicher Gewalt die Rede. Es stellt sich die Frage, ob Kronprinz Mohammed bin Salman, genannt MbS, von diesem Komplott wusste. Laut dem US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump deutet nichts darauf hin. Aber diese Aussage widerspricht den Erkenntnissen seiner eigenen Geheimdienste. Nicht das erste Mal, dass Trump die Wahrheit verdreht.
Mohammed bin Salman genießt den Ruf eines Reformers. Unter seiner Regentschaft wurde der Einfluss der Religionspolizei zurückgedrängt, er erlaubte den Betrieb von Kinos und Rummelplätzen, öffentliche Musikaufführungen und gewährte Frauen das Recht, Auto zu fahren. Der Journalist Jamal Khashoggi stand bin Salman einst positiv gegenüber, verteidigte auch dessen offensiven Kurs gegen den Erzfeind Iran, mit dem sich Saudi-Arabien im Jemen einen Stellvertreterkrieg liefert. Bin Salmans Bemühungen, Saudi-Arabien aus der Abhängigkeit vom Öl zu lösen, dürfte ebenfalls seinen Beifall gefunden haben.
TV-Doku (Arte) über Khashoggi-Mord: Donald Trump wurde massiv umworben
Aber die Liberalisierung erwies sich als Schimäre, wohl nicht zuletzt in Szene gesetzt, um den Ruf der Rückständigkeit und Intoleranz abzulegen, der ausländische Investoren verschreckte. Khashoggi selbst bekam das wahre Wesen der saudischen Führung zu spüren, als er sich skeptisch über den neuen US-Präsidenten Trump äußerte. Als Reaktion darauf erhielt er ein Publikationsverbot. Denn Trump, das zeigen die Filmautoren eindrucksvoll auf, wurde von den Saudis massiv umworben. Es ging um Rüstungslieferungen, die Unterstützung gegen den Iran, wirtschaftlichen Austausch. Unter anderem wurde das Land für Hollywoods Filmproduzenten interessant, die hier wegen des Kinoverbots bislang nicht vertreten waren und jetzt auf zusätzliche Einnahmequellen hoffen konnten.
Zu Beginn mag es den Anschein haben, dass Smith und Hirsch sehr weit ausholen. Aber ihre Dokumentation gewinnt rasch an Fahrt, eben nicht allein durch die Darstellung des Mordes an Khashoggi, der sich zu einem unnachsichtigen Kritiker bin Salmans wandelte, sondern insbesondere durch jene intensiven Recherchen und Materialzusammenstellungen, die größere innen- wie außenpolitische Zusammenhänge sichtbar machen und zu deren Verständnis beitragen.
TV-Doku (Arte) über Khashoggi-Mord: Saudi-Arabien infiltriert Twitter
So erweisen sich die sogenannten Antikorruptionsmaßnahmen der saudischen Regierung bei genauerem Hinsehen als mehr oder minder verkappte Repressalien gegen Kritiker, desgleichen gegen Personen höherer Kreise, die die Macht des autokratischen Kronprinzen schmälern könnten.
Auch zu den sozialen Medien haben die Autoren einiges zu sagen. Saudischen Agenten gelang es, die Twitter-Zentrale zu infiltrieren und Daten von Regimegegnern zu erbeuten. Mit entsprechenden Folgen für die Betroffenen. Saudische Offizielle bezeichnen heute den Mord an Khashoggi als „strategischen Fehler“. Nach Einsicht und Reue klingt das nicht. Arte zeigt beide Teile der Dokumentation unmittelbar hintereinander.
Von Harald Keller
„Mord im Konsulat – Mohammed bin Salman und der Fall Khashoggi“, Dienstag, 18.2., Arte, 20:15 Uhr