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„Tod am Rennsteig: Auge um Auge“: Die Abteilung für komische Vögel

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Von: Harald Keller

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Tod am Rennsteig: Auge um Auge
Annett Schuster (Kristin Suckow), Kommissar Frieder (Frederik Schmid), Marion Dörner (Anne-Kathrin Gummich) und Jan Kawig (Bernhard Conrad) am Fundort der Leiche im Wald. © MDR/ARD Degeto/Gordon Muehle

Vielleicht Auftakt für mehr: Der Kriminalfilm „Tod am Rennsteig“ im Ersten besitzt Fortsetzungspotenzial.

Frankfurt am Main – Wie der Monolith aus Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“ steht der wuchtige Kühlschrank auf einer Anhöhe mit direktem Blick auf die Wartburg. Er birgt eine männliche Leiche, geknebelt, gefesselt, in Gebetshaltung.

Angesichts dieser verstörenden Umstände ruft der leitende Ermittler Verstärkung herbei. Der Drehbuchautor Jens Köster legt ihm das Wort „Profiler“ in den Mund, meint aber etwas anderes: ein Team der operativen Fallanalyse. So steht es auch auf den Dienstjacken der Fünfergruppe aus der, so wird einmal gesagt, „Abteilung für komische Vögel“. In ihr treffen zusammen der eigenwillige Analytiker Jan Kawig (Bernhard Conrad), die Kriminalpsychologin Annett Schuster (Kristin Suckow), die Kriminalkommissarin Sabine Limmer (Berit Künnecke). Die Leitung obliegt der erfahrenen Marion Dörner (Anne-Kathrin Gummich), privat eine geplagte Mutter. Auch die Rechtsmedizinerin Vanessa Sun (Jing Xiang) ist stets zugegen, deren Status unklar bleibt, weil in der Realität dieser Berufsstand unabhängig vom Polizeiwesen erst auf gerichtliche oder staatsanwaltliche Anforderung tätig wird. Verstehen wir sie mal als Beraterin. Außerdem wird sie benötigt, um ziemlich heftig und unverhohlen mit Annett Schuster zu flirten.

„Tod am Rennsteig: Auge um Auge“: Spannungsreiches Arbeitsklima

Schuster stößt neu zur thüringischen Polizei. Kawig kennt sie von früher und ist nicht gut auf sie zu sprechen, weil sie nach dem Studium zur Universität Boston wechselte, um sich dort der Forschungsarbeit zu widmen. Die Verachtung der Praktiker gegenüber Theoretikern. Prompt kommt es zu ungewöhnlich ruppigen Reibereien, die aber auch zu Fortschritten führen können.

Schuster stammt aus der Gegend, hat ein herzliches Verhältnis zur Schwester, gibt aber in einem Telefonat mit ihrer Mutter an, noch in Boston zu weilen. Was sich dahinter verbirgt, wird vorerst nicht aufgelöst.

Zur Sendung

„Tod am Rennstein: Auge um Auge“, Donnerstag, 9.3.2023, 20:15 Uhr, Das Erste, und in der ARD-Mediathek.

Wie dem Kollegen von der örtlichen Kripo bereits schwante, kommt es zu weiteren Morden. Die Leichen werden jeweils auf besondere Weise ausgestellt. Annett Schuster verwendet dafür das falsche Verb „drapiert“. Man muss es ihr nachsehen, sie war ja lange Zeit in englischsprachiger Umgebung tätig.

Der Täter oder die Täterin setzt Zeichen, gibt der Ermittlergruppe Rätsel auf, die es zu entschlüsseln gilt, nimmt sogar in Kauf, von den Polizisten gesehen zu werden. Ein gruseliges Spiel, bei dem die Rollen zwischen Jäger und Gejagten nicht immer eindeutig verteilt sind.

„Tod am Rennsteig: Auge um Auge“: Pausenbrote in der Kirchenbank

Bei der operativen Filmanalyse zeigt sich rasch, dass das MDR-Degeto-Gemeinschaftswerk „Tod am Rennsteig“ (Produktion: Polyphon, ARD) auf vergleichsweise ambitionierten Tathergängen basiert. Beispielsweise stammt die Musik vom preisgekrönten schwedischen Jazzpianisten Martin Tingvall. Die Regisseurin Maris Pfeiffer und Kameramann Volker Tittel kosten wirksam aus, was ihnen von Drehbuchautor Jens Köster vorgegeben wurde. Den morbiden Charme verlassener Gebäude, eine labyrinthische Felsschlucht, die klaustrophobische Enge einer Haftzelle, die sakrale Stille in der Severikirche, wo Kawig Denkpausen verbringt, belegte Brote verputzt und mit Schuster über theologische Fragen räsoniert.

Inhaltlich bleibt vieles, was episodenübergreifend erzählt werden kann, auf Andeutungen beschränkt. Ein Vorzug, denn als Zuschauer möchte man die Charaktere entdecken, an der Entwicklung der sozialen und privaten Gefüge teilhaben.

Die aufzuklärenden Verbrechen sind außergewöhnlich spektakulär, verübt von einer Person, die allgegenwärtig, allwissend, allmächtig zu sein scheint. Hier trägt Köster kräftig auf und doch gerade zurückhaltend genug, um die Zwischentöne in der Gruppendynamik und im Sozialverhalten nicht zu ruinieren. Gerade in diesem Bereich sind noch spannende Momente vorstellbar. Eine Fortsetzung also ist angelegt, jedoch laut Auskunft des MDR vorerst leider nicht geplant. (Harald Keller)

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