Kritik zum Tatort Wien: „Was ist das für eine Welt“ – Das passt halt auch so super
Der ORF-Tatort „Was für eine Welt“ aus Wien spielt zwischen Job-Ängsten und Polizeiromantik. Am Sonntag um 20.15 Uhr im ARD.
Frankfurt – Der Satz „Ich bin der selbstreflektierteste Mensch der Welt“ ist grammatikalisch und inhaltlich ein Irrwitz, aber er macht auch Laune. Was mag das für einer sein, der selbstreflektierteste Mensch der Welt? Nun, man lernt ihn kennen, auch wird er einem schon bekannt vorkommen. Gibt solche Leute, solche Selbstreflektierten der Welt. Beneidenswert, im Prinzip. Als der Satz fällt, geht es auf ein grausiges Ende zu, grausiger als erwartet, weniger abgefeimt als erhofft.
Denn der neue ORF-Tatort aus Wien lässt sich vor allem ansprechend unorthodox an. Nach dem unverblümt vorgetragenen Kapitalverbrechen an einem engagierten Hobbyradler – „Was ist das für eine Welt“, in der Tat – ist das Szenario zunächst buchstäblich mit den Augen der seit 2021 für das Team Eisner/Fellner zuständigen Assistentin Meret, Christina Scherrer, zu sehen. Wenn man womöglich nicht mehr genau weiß, wer das noch gleich war, ist das umso passender.

Das Ermittler-Team aus dem Tatort Wien – ein polizeiromantischer Mythos
Meret spricht sich bei einem Mann aus, den wir noch nicht kennen, und wir wissen auch nicht, warum. Aber die beiden alten Hoppelhasen, Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser, bekommen dabei auf die Mütze. „Der zynische Moritz, und die Bibi, die auf Teflon macht. Aber das passt halt auch so super. Zu dem polizeiromantischen Mythos.“ Eisner und Fellner behandeln Meret derweil nichtsahnend mit grandioser Beiläufigkeit, natürlich ist das unfair von ihnen, aber es kommt vor. Ist eine Cloud (die hat Meret eingerichtet) besser als ein Karteikartensystem (das haben Eisner und Fellner immer schon so gemacht)? Das Buch von Stefan Hafner und Thomas Weingartner hält sich da zurück. Schon effizient die Cloud, schneller ging’s, wenn Meret noch wüsste, was die Ziffer 4 bedeutet.
Und interessanter als Merets Work-Life-Balance – erst ihre Freundin Jasmina, dann die Familie, dann Karate, dann die Arbeit – sind womöglich doch die beiden, die einfach eh immer arbeiten. Auch da ist Platz für Privates, um zum Beispiel über eigene Drogenerfahrungen zu sprechen. „Haben deine Freunde auch einmal LSD genommen?“ – „Nur einmal, und deine?“ – „Nein, nie.“
Rolle | Darsteller:in |
---|---|
Moritz Eisner | Harald Krassnitzer |
Bibi Fellner | Adele Neuhauser |
Meret Schande | Christina Scherrer |
Arnold Cistota | Valentin Postlmayr |
Anna Feistinger | Marlene Hauser |
Wolfgang Feistinger | Rainer Egger |
Im Tatort Wien arbeiten die Bübelchen am meisten, die andere arbeitslos machen
Im Grunde arbeitet auch Meret die ganze Zeit. Jasmina kommt zwischendurch kurz ins Bild, supernett. Dass Meret sich ihr Leben zumindest anders vorstellt als das von Fellner und Eisner wirkt trotzdem wie ein Zeichen der Zeit. Ja, es scheint unter Fachkräften immer unmoderner zu werden, wie verrückt zu arbeiten. Nun kommt aber der ironische und klassische Wiener-Tatort-Dreh, dass die allerfleißigsten in dieser Folge ausgerechnet einige Bübelchen sind, deren Aufgabe darin besteht, andere Menschen arbeitslos zu machen.
Der ermordete Hobbyradler hat in einer Firma gearbeitet, die in anderen Unternehmen rationalisiert, und zwar smart und hart. Die Autoren und Regisseurin Evi Romen lassen Szenen in der Firma unversehens in ein PR-Filmchen übergehen, schaurig und witzig. In der Wirklichkeit werden dann Menschen kalt erwischt, nach 38 Berufsjahren zum Beispiel. Die ganze Verkaufssprache hingegen übrigens, diese Unterjubel-Sprache, die wäre einem früher unwahrscheinlicher vorgekommen. Sie ist zum Kaputtlachen, wenn man nicht selbst erklärt bekommt, dass man demnächst arbeitslos sein wird.
Zwischen der Angst um den Job wird im Tatort Wien auch geflirtet
Klar haben die Bübelchen selbst auch Angst um ihren Job. Einer von ihnen, Valentin Postlmayr, schreit deshalb einmal seinen Chef an, den in Österreich weltberühmten Kabarettisten und Moderator Dirk Stermann (aus Duisburg). Das sind piekfeine Szenen, neben denen sich etliche Holzpfade und Routinen zeigen. Gehört gewiss zum Ermittleralltag wie zum Tatortmacherteam-Alltag dazu.
Trotz der vielen Arbeit wird übrigens geflirtet, kreuz und quer. Dazu ein schicker, herber Soundtrack der in Österreich sehr erfolgreichen Gruppe Kreisky, die bis zum bitteren Ende immer wieder einmal singt: „Und wir steh’n in der Abendsonne mitten im Feld“. Ganz schön. Die CD kommt gerade in den Handel. (Judith von Sternburg)
„Tatort: Was ist das für eine Welt“
Sonntag, 26. Februar, ARD, 20.15 Uhr