Schweiz-Tatort „Seilschaft“: Logiklücken groß wie Scheunentore

Mit der Zusammenarbeit hapert es beim Schweizer Duo. Eine „Seilschaft“ muss sterben im neuen, mauen Zürich-Tatort.
Frankfurt am Main – Dass Schweizer (und ein paar Schweizerinnen) Banken können, sie sogar besonders gut können, galt lange als selbstverständlich, quasi als angeboren. Dann bewies die Credit Suisse: Gier und Unverstand schmelzen auch einen großen Haufen Geld irgendwann ab, das ist wie beim CO2 und den Polkappen.
Dass Schweizer und Schweizerinnen gute TV-Krimis können, dieser Eindruck wiederum konnte noch nie entstehen. Jedenfalls nicht bei Flückiger und Ritschard (Stefan Gubser, Delia Mayer), die zwischen 2012 und 2019 zweimal im Jahr in Luzern ermittelten. Dann kam ein Neustart mit Frauen-Duo im gewiss doch sündenpfuhligeren Zürich, vielversprechend erschienen die flotten, keine Fisimatenten duldenden Grandjean und Ott, Anna Pieri Zuercher und Carol Schuler.
Schweiz-Tatort im Ersten bleibt auf einem Abstiegsplatz
Aber vier Zürich-Fälle hoppelten grad mal so vor sich hin, jetzt folgt in der ARD Nummer fünf, „Seilschaft“, der dem Schweiz-Tatort auch nicht von einem der Abstiegsplätze helfen wird. Nach einem Buch von Claudia Pütz und Karin Heberlein, in der Regie von Tobias Ineichen geht es eher um die originellste Tötungsart als um irgendeine Plausibilität, sind die Logik-Lücken groß wie Scheunentore. Und sagt Staatsanwältin Wegenast, Rachel Braunschweig, allen Ernstes zu Grandjean und Ott: „Schweizer Banken können doch gar kein Geld mehr waschen“. Huch.
ARD-Tatort „Seilschaft“ - die Besetzung
Name | Rolle |
Carol Schuler | Tessa Ott |
Anna Pieri Zuercher | Isabelle Grandjean |
Leonardo Nigro | Dominic Mercier |
Rabea Egg | Gina Keller „Gogo“ |
Lillyenne Zünd | Ronja |
Elidan Arzoni | Jürg Wettstein |
Veton Hamza | Kerim Berisha |
Mit einem dann doch angeforderten Geldwäsche-Organhandel-Menschenhandel-Spezialisten von der „Fedpol“ flirtet Wegenast wie wild, hinter ihnen eine Weltkarte, angepinnte Papiere, Pfeile, Verweise. Aber am Ende weiß man leider nicht, was er herausgefunden hat – außer, dass alles irgendwie mit allem zusammenhängt und kompliziert ist, außer dass in diesem „Ermittlungsstrang“ jetzt andere ermitteln.
Schweiz-Tatort: Morde kündigen sich an wie Dutzende Male zuvor
Bleiben noch die Morde im Umkreis einer „Internationalen Entwicklungskonferenz“ (Menschen, die angeblich Gutes tun wollen, wieder einmal), die sich ankündigen wie Dutzende von Tatort-Morden zuvor. Ominös rollt ein Servierwagen den stillen Hotelflur entlang, klopft eine behandschuhte Hand (aber es wurde ja gar nichts bestellt). Mutterseelenallein rudert ein Mann, Typ Oberchef, bis ihm ein Ballontier auf dem Wasser auffällt – da greift er schon danach und zieht ... was für ein Fehler. Eine mittelalte Frau schläft, im Erdgeschoss, eine dunkle Gestalt sitzt im offenen Fenster.
Fallanalytikerin Tessa Ott schließt aus dem aufwendigen Arrangement der Opfer, aus der Symbolik der Tatorte der ARD: „Nur wenn’s persönlich ist, nimmt man sich so viel Zeit für Details.“ Sie wird zwar Recht behalten, trotzdem – was mag die Symbolik von Eichenprozessionsspinnern sein? Mal abgesehen vom optischen Grusel haariger Raupen.
Zur Sendung
„Tatort: Seilschaft“ , ARD, Sonntag 30. April, 20.15 Uhr.
ARD-Tatort „Seilschaft“ - es hapert mit der Zusammenarbeit
Mit der Zusammenarbeit hapert es im ARD-Tatort auch beim Schweizer Duo, Alleingänge Otts führen zu nichts Gutem, das kennt man aus anderen Tatorten. Thematisiert wird außerdem eine Vergangenheit in einer Familie, in der es „von Arschlöchern nur so wimmelt“ (Ott). Erklärt wird das einstweilen nicht, aber wann immer in „Seilschaft“ ein Missbrauchs-Verdacht aufkommt, es um den Vorwurf von Sex mit Minderjährigen geht, ist sie schwer angefasst. Während man es vor dem Fernseher längst kapiert hat (wird es in einer Folge ausgebreitet werden? Garantiert!), muss Otts Kollegin das mit dem Trauma-Trigger erklärt bekommen. Aber gut, vielleicht hat Grandjean vor dem Amtsantritt in Zürich in einer Bärenhöhle gelebt.
Da wäre Assistent Noah, Aaron Arens, vielleicht auch gern und ruhte sich aus. Als er sich über die Arbeitsbelastung beklagt, sagt ihm Grandjean: „Schlafen kannst du, wenn du tot bist“. Oder aber beim Gucken dieses 08/15-Tatorts. (Sylvia Staude)