Für die Investigativ-Reportage schleust das „Team Wallraff“ einen Reporter, den es nur mit dem Namen Maxi vorstellt, unter dem Pseudonym Wolfgang als Pflegepraktikant in eine Pflegeeinrichtung der „Alloheim“-Kette in Waldeck-Frankenberg ein. Dabei entstehen berückende Bilder mit versteckter Kamera, beispielsweise wie Pfleger:innen die Menschen in der Altersresidenz aufgrund ihrer Gebrechen wie Inkontinenz demütigen.
Zum Gespräch hat sich Günter Wallraff unter anderem die Whistleblowerin Andrea Würtz geladen. Die Gesundheitsamt-Mitarbeiterin und Pfelgerin Würtz hatte im Mai 2020 einen Skandal in einem Seniorenheim im bayerischen Schliersee publik gemacht. Dabei ging es mitunter um Körperverletzungen, aber auch um psychische Gewalt durch Pflegepersonal gegen Senior:innen in Pflegeeinrichtungen.
Die Undercover-Aufnahmen von „Wallraff“-Reporter Maxi aus Waldeck-Frankenberg schockieren die Whistleblowerin Würtz: „Ehrlich gesagt schäme ich mich gerade ein bisschen für meinen eigenen Berufsstand“, sagt sie im Gespräch mit Günter Wallraff. Sie prangert den im Video zu sehenden Mitarbeiter der „Alloheim“-Einrichtung der Demütigung des Einwohners an: „Er erniedrigt, er beschimpft – und das, obwohl der Mann sich sicherlich nicht zu Wehr setzen kann. Das ist ein Skandal!“
Am Beispiel des im Video gedemütigten Mannes wird zudem deutlich, dass die medizinische Versorgung durch anwesende Ärzt:innen in der besuchten Einrichtung nicht ausreichend ist. In diesem Einzelfall wartet der Bewohner der Pflegeeinrichtung laut Auskunft des Pflegers seit über einer Woche auf adäquate ärztliche Betreuung, zur Linderung seines Inkontinenz-
Leidens.
Auf der anderen Seite zeigt sich auch die mangelnde Ausrüstung der Pfleger:innen durch die „Alloheim“-Kette. So zeigen die Aufnahmen von „Team Wallraff“ beispielsweise, dass Angestellte der Einrichtung in Waldeck-Frankenberg die morgendliche Visite im Pflegeheim ohne vorhergehenden Corona-Test absolvieren müssen, da hierzu Material fehlte. Dabei ist dieser zum Schutz besonders vulnerabler Gruppen in Pflegeheimen gesetzlich vorgeschrieben. Darüber hinaus werden noch weitere Materialmängel deutlich: So dokumentiert der Undercover-Reporter des „Team Wallraff“ unteranderem, dass es an alltäglichen Mitteln wie frischen Unterlagen für inkontinente Menschen in der Einrichtung fehlt. Konkrete Nachfragen des „Team Wallraff“ bei der Betreibergesellschaft „Alloheim“ werden konsequent als unwahre Unterstellungen bezeichnet.
Als weiteren Gesprächspartner konnte Günter Wallraff den Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gewinnen. Lauterbach spricht davon, dass die Menschen in Deutschland durch die Pflege grundsätzlich nicht gefährdet seien. „Das Pflegepersonal gibt alles“, steht für Lauterbach fest. Er schränkt jedoch ein: „Die Bedingungen sind aber nicht gut. Die Pflege in Deutschalnd ist im Großen und Ganzen gut organisiert.“ In diesem Zusammenhang schätzt der Gesundheitsminister die Undercover-Recherche des „Team Wallraff“ jedoch als „nicht repräsentativ“ ein. Wallraff stellt dies in Frage: „Sollen alle Zuschriften, die wir erhalten haben, etwa Einzelfälle sein?“
Donnerstag, 23. Juni 2022, RTL, Mediathek
Der „Team Wallraff“-Bericht macht betroffen. Das liegt aber nicht an einer reißerischen journalistischen Praxis, die dem Privatsender RTL für seine Berichterstattung immer wieder zu Recht unterstellt werden darf. Es sind die Bilder von alten Menschen in Pflegeeinrichtungen, die hilflos sind und – sich ihrer misslichen Lage bewusst – in Tränen ausbrechen. Günter Wallraff und sein Team liefern kein journalistisches Wohlfühlstück, sondern einen unverfälschten Blick auf Teile einer unmenschlichen Pflegepraxis, die in einigen Altersresidenzen der Düsseldorfer „Alloheim“-Gesellschaft trauriger Alltag zu sein scheint. (Moritz Post)