Ins Rampenlicht dank Mickey Mouse

Arte zeigt Nick Cassavetes' melodramatische Kinoromanze "Wie ein einziger Tag" und kombiniert sie mit einem schwärmerischen Porträt des Hauptdarstellers Ryan Gosling.
Um gleich mal das mit dem Halbgott zu klären: Es war nur eine Rolle. Der achtzehnjährige Ryan Gosling spielte sie in der Jugendserie „Der junge Hercules“, dem Prequel der Kultserie „Hercules“ („Hercules - The Legendary Journeys“). In beiden - wie auch dem Ableger „Xena - Die Kriegerprinzessin“ („Xena: Warrior Princess“) - würfelten die Produzenten Sam Raimi und Robert Tapert vergnügt diverse Mythologien durcheinander und verquickten sie mit Martial Arts und vielerlei Anachronismen wie modernen Schönheitswettbewerben, E-Gitarren, Zitaten und Parodien. Ein putzmunterer Heidenspaß also, der, in Neuseeland gedreht, nebenbei in der einen oder anderen Hinsicht den Boden bereitete für Peter Jacksons „Herr der Ringe“.
In dem Filmporträt „Ryan Gosling - Hollywoods Halbgott“ der Autorin Jana Buchholz wird „Der junge Hercules“ etwas schnoddrig als „zweitklassige Fantasyserie“ abgestempelt. Hintergründe bleiben ausgespart. Eine Einblendung nennt Sam Raimi fälschlicherweise als Regisseur der Serie. Tatsächlich war er der Executive Producer.
Der Schauspieler und Musiker Ryan Gosling, der auch als Produzent und Regisseur hervorgetreten ist, ist ohne Frage eine interessante Persönlichkeit. Gerade mal siebenunddreißig Jahre alt, zählt er zu den bekanntesten und renommiertesten Namen Hollywoods. Dabei hält er sich und seine Familie der Öffentlichkeit weitgehend fern, wahrt seine Privatsphäre, verzichtet auf billige Publicitystunts. Ein überzeugender Widerpart also zu jenen, die meinen, ihren Marktwert durch permanente Medienpräsenz oder gar mit inszenierten Skandalen heben zu müssen.
Auch das Arte-Porträt kommt dem Schauspieler nur bedingt nahe. Die Interviewpassagen sind aus zweiter Hand, stammen zum Beispiel aus DVD-Bonusmaterialien. Die Autorin erschließt Goslings Werdegang über Interviews mit Berufskollegen und Filmkritikern. Eine notdürftige Lösung, die Lücken lässt. Ryan Goslings offenbar nicht ganz leichte Jugend in Kanada wird, ohne überzeugenden Beleg, nur referiert.
Erst ab Goslings Engagement in der Kinder-Fernsehshow „Mickey Mouse Club“ gibt es bewegte, natürlich vorinszenierte Bilder. Der Teenager Gosling moderierte, spielte und sang unter anderem an der Seite von Altersgenossen wie Justin Timberlake, Christina Aguilera, Britney Spears. Zutreffend bezeichnet Autorin Jana Buchholz diese Sendereihe als „Star-Schmiede“. Typisch für den produzierenden Disney-Konzern, der systematisch junge Begabungen heranzieht, sie aufbaut und ihnen eine professionelle Betreuung angedeihen lässt, die nicht selten in eine Entertainmentkarriere mündet. Wobei der Verzicht auf eine normale Kindheit und das Aufwachsen in einer entfremdenden Umgebung auch Probleme mit sich bringen kann.
Im US-amerikanischen Showgeschäft wirken viele Kräfte an dem, was die Branche „Karrieredesign“ nennt, Agenten, Anwälte, Öffentlichkeitsarbeiter. Folgt man aber diesem Filmporträt, so war Ryan Gosling schon als Neunzehnjähriger sein eigener Herr, traf die richtigen Entscheidungen, bemühte sich aus eigenem Entschluss um anspruchsvolle Rollen wie die in dem Drama „The Believer“, in dem - die Filmhandlung basierte auf Tatsachen - ein junger Jude dem Neonazismus verfällt.
Nach der kassenträchtigen Nicholas-Sparks-Verfilmung „Wie ein einziger Tag“ („The Notebook“) entschloss sich Gosling, zu pausieren und in einem Sandwich-Laden zu jobben - ein cleverer Zug, gut fürs Image. War es Goslings eigene Idee oder nicht vielleicht doch die eines pfiffigen Agenten? Eine nicht leicht zu klärende Frage, aber vielleicht wollte es die Autorin auch nicht zu genau wissen. Analytische Ansätze gibt es bei ihr allenfalls als Andeutung. Sie konzentriert sich auf Goslings unbestreitbare Meriten, wirft Schlaglichter auf seine exzellenten schauspielerischen Leistungen, auf seine Auszeichnungen. Unbeachtet bleiben einige Filme, die nicht so ganz ins Muster passen wie der mäßige Thriller „Mord nach Plan“ oder die mediokre Detektivkomödie „The Nice Guys“. Keine Erwähnung findet auch Goslings Mitwirkung in der US-amerikanisch-kanadischen Jugendserie „Breaker High“, einer Art „Traumschiff“ für Heranwachsende.
Ein weiterer unaufgelöster Widerspruch: In einer schnellen Sequenz zeigt der Film Merchandising-Produkte mit dem Konterfei Goslings, um dessen allgemeine Beliebtheit zu belegen. Ohne Genehmigung der abgebildeten Person dürfen solche Dinge eigentlich nicht profitiert werden. Wer verwaltet die entsprechenden Rechte, wer verdient daran?
Die einleitenden Worte markieren die Tendenz: „Ryan Thomas Gosling. Alle lieben ihn. Keiner ist cooler. Keiner ist charmanter. Keiner küsst besser als er.“ Vergeblich wartet man auf die angebrachte Relativierung, eine ironische Brechung. Die Person Gosling wird als bescheiden, bodenständig und ritterlich beschrieben - war das mit dem Halbgott im Titel am Ende gar ernst gemeint? Schief wird es, wenn die Autorin Gosling als den „James Dean seiner Generation“ bezeichnet. Deans Weltruhm setzte erst ein, nachdem er 24-jährig bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Zwei von dreien seiner Filmerfolge kamen posthum in die Theater.
Für eine Produktion des Kultursenders Arte geriet das Ganze unterm Strich arg dünn und erinnert in seiner überschwänglichen, wenig tiefschürfenden Manier eher an vergleichbare Beiträge boulevardesker Kommerzsender.
Arte zeigt das Porträt am Sonntag, 22.7., um 22.15 Uhr im Anschluss an Nick Cassavetes' Nicholas-Sparks-Verfilmung „Wie ein einziger Tag“. Neben Ryan Gosling spielen darin Rachel McAdams, Gena Rowlands und Sam Shepard.