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„Rabiat: Jugend für’n Arsch“ - Quälender Corona-Ausnahmezustand

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Von: Harald Keller

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Rabiat-Reporterin Alina Schulz trifft junge Menschen, die dafür demonstrieren, wieder in Gruppen mit Musikboxen in öffentlichen Parks chillen zu dürfen.
Rabiat-Reporterin Alina Schulz trifft junge Menschen, die dafür demonstrieren, wieder in Gruppen mit Musikboxen in öffentlichen Parks chillen zu dürfen. © Patrick Dosanjh/Radio Bremen

In der aktuellen Ausgabe der ARD-Reihe „Rabiat“ sprechen Jugendliche über ihre Erfahrungen in den Corona-Jahren und über die Herausforderungen einer Generation.

Die Reportage-Reihe „Rabiat“ der ARD bildet eine Art Erweiterung des Programmformats „Y-Kollektiv“ im linearen TV-Programm. „Y-Kollektiv“ steht für Reportagen und Berichte von jungen Journalistinnen und Journalisten und ist im öffentlich-rechtlichen Jugendkanal funk.net abrufbar. Die redaktionell von Radio Bremen betreuten Produktionen sind folglich auf ein junges Publikum abgestellt. Schon der Titel der aktuellen „Rabiat“-Ausgabe verrät, dass hier sehr direkte Töne angeschlagen werden, man pflegt den jugendlichen Jargon der Eigentlichkeit. Obwohl – wäre „Jugend am Arsch“ nicht treffender gewesen?

Einen kleinen Altersunterschied gibt es schon zwischen der neunundzwanzigjährigen Reporterin Alina Schulz und ihren Interviewpartner:innen, die gerade die Schule absolviert oder ein Studium aufgenommen haben. All das in der Corona-Ära, die geprägt ist von der Stilllegung des öffentlichen Lebens, von Ausnahmezuständen, Ausgangssperren.

Reportage-Reihe „Rabiat“ auf ARD: Corona-Frust und Ursachenforschung

Als „deprimierend“ und „frustrierend“ empfindet Despina die Situation. Sie hat in Heidelberg ein Jurastudium begonnen, lebt auf dreizehn Quadratmetern in einer Wohngemeinschaft, hatte zunächst keine Gelegenheit, Kommiliton:innen kennenzulernen und Freundschaften zu schließen und fühlte sich unglücklich.

Vielen Gleichaltrigen ergeht es nicht besser. Gelegentlich machen sie ihrem Unmut Luft, in Form von regulären Demonstrationen, aber auch illegalen Massenpartys mit wütenden Übergriffen auf Ordnungsbeamte und Sachbeschädigungen. Nicht allein jugendlichem Übermut geschuldet, wie die Recherchen von Alina Schulz ergeben.

Wie Corona das Leben beeinflusst: Reportage-Reihe „Rabiat“ (ARD) befragt junge Menschen

In der Phase der ersten Corona-bedingten Ausgangsverbote stieg die Zahl der Jugendlichen mit Symptomen einer mentalen Erkrankung um fünfzehn Prozent. Jedes dritte Kind zeigte psychische Auffälligkeiten. Depressionen können lebensgefährlich sein. Die vierzehnjährige Kira erkrankte an Magersucht. Andere berichten über Selbstverletzungen. Falsche Vorbilder in sozialen Medien und beengte Wohnverhältnisse verstärken diese Erscheinungen.

Hilfe ist nicht immer leicht zu finden. Liam aus Mannheim sprach das Thema bei einer Videokonferenz seiner Schule an, ein mutiger Schritt, den nicht jeder wagt. Er wurde brüsk abgefertigt. Inzwischen ist er in Therapie. Auch ein Problemfeld. Zur Zeit der Dreharbeiten warteten Betroffene bis zu zehn Wochen auf einen Therapieplatz in einer Klinik.

Niederschmetternder Eindruck von Perspektivlosigkeit: „Rabiat“ (ARD) mit Blick auf die Corona-Krise

Die Filmautorin Alina Schulz findet den richtigen Ton im Gespräch mit den jungen Erwachsenen, spricht mit ihnen auf Augenhöhe, hilft auch mal bei den Vorbereitungen zu einer Geburtstagsparty. Sehr häufig ist sie selbst im Bild zu sehen, nicht jede dieser Einstellungen wäre nötig gewesen. Zum Verständnis trägt bei, wenn sie in ihre eigene Jugend zurückblickt und Fotos von einer Reise zeigt, die sie als Neunzehnjährige unternommen hat. Der Vergleich macht deutlich, was den Angehörigen dieser Altersklasse in den letzten zwei Jahren durch die Corona-Vorsorge entging und was bei manchen einen niederschmetternden Eindruck von Perspektivlosigkeit entstehen ließ.

Diese „Rabiat“-Sendung fungiert als Sprachrohr der jungen Generation, ist an diese gerichtet, aber ebenso an die Älteren, denen oft schwerfällt, sich in die Situation der Heranwachsenden einzufinden. Das geht bis an die Grenze zur Ignoranz, wenn dem Sohn einer arbeitssuchenden Mutter von der Schule aufgegeben wird, sich für den digitalen Unterricht ein Tablet zuzulegen. Auch an den Universitäten geht man grundsätzlich, aber fälschlich davon aus, dass eine einschlägige Ausrüstung nebst leistungsfähigem Internetanschluss vorhanden ist. Noch ein Grund, warum Menschen in Ausbildung – auch die berufliche Lehre ist betroffen – durch die Pandemie ins Hintertreffen geraten. (Harald Keller)

„Rabiat: Jugend für’n Arsch“, Montag, 18.10.2021, 22:50 Uhr, Das Erste

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